Ben's Kommentar

Mein Foto
Name:
Standort: Berlin, Germany

Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Dienstag, August 30, 2005

Auf der Suche nach Oscar Wilde

Als ich gestern durch die Stadt ging, fiel mir nicht nur auf, dass der Antquariar zwischen Neumarkt und Rudolfplatz geschlossen hat, was sehr schade ist, sondern nachdem ich einen Kaffee getrunken und etwas gelesen hatte, beschloss ich noch schnell in der schwulen Buchhandlung Brunos nach einer bestimmten Oscar Wilde – Biographie zu schauen, von der ich gehört hatte. Als ich jedoch den Laden betrat zeriss es mir das Herz und ich hätte mich am liebsten unter bitteren Tränen sofort wieder gedreht und wäre hinausgegangen. Man hat umgeräumt und zwar auch, was das Sortiment anbelangt. Wenn man in den Laden hineinkommt, so findet man nun ¾ davon ohne Bücher vor und sieht Regale gefüllt mit DVD’s, Kalendern, Sexzubehör, Szeneartikeln und mittlerweile sogar Unterwäsche, so dass man nur auf Grund des wärmeren Ambientes noch das Gefühl hat, dass man schon im richtigen Laden ist und nicht versehentlich in der Filiale in der Kettengasse gelandet ist. Jedoch beschränkt sich das Buchsortiment auf ein Regal mit Biographien, drei Regalen mit Belletristik und der Rest ist One-Hand-Literature oder Krimi, Bildbände und Trash.

Direkt musste ich voller Nostalgie an den ersten, kleinen schwulen Buchladen Ganymed in der Kettengasse denken. Gegründet von zwei idealistischen Schwulen, die sich auf der Uni kennengelernt hatten und beschlossen, dass die Schwulenmetropole einen Buchladen brauchte. Doch es war mehr als ein reines Szenegeschäft. Der Laden zeichnete sich unter anderem auch dadurch aus, dass er ein Geheimtipp für Kunst- und Kulturliebhaber war. Man hatte eine riesige Auswahl an Klassik-CDs und war auch gerne einmal bereit für einen Bildband einer hawaiianischen Künstlerin in einer Ausgabe mit indischen Texten so lange zu suchen, bis man den zuständigen Verlag gefunden hatte um dann dort die Bestellung für den Kunden aufzugeben. Nachdem jedoch die “Bücher von der Stange” – Kette nebenan öffnete, brach der Umsatz etwas ein, jedoch konnte man sich anfangs noch sehr gut wehren. Als jedoch ein neuer Mietvertag hermusste wurde man Opfer mieterischer Gier und musste den Laden räumen.

Einige Zeit später wurde dann dieses Projekt gegenüber auf der anderen Straßenseite in dem Buchladen Zeus fortgeführt. Jedoch zeigt sich schnell, dass die neuen Gesellschafter der ursprünglichen Idee soweit entfernt waren, wie eine Kuh dem Bügeln und man näherte sich immer mehr dem Level der Konkurrenz um die Ecke, mit der man dann langfristig nicht mehr mithalten konnte und die dann auch später die Räumlichkeiten übernahm um einen Sex-Shop daraus zu machen.

Ich selber habe mich zweimal als Mitarbeiter für den Buchladen beworben, nachdem Stellen dort ausgeschrieben wurden und beide Male (bei weiterer Stellenausschreibung) abgelehnt. Wahrscheinlich weil ich 20% des Buchladens gelesen hatte, jedoch nicht in der Lage war mehr als 2 Pornolabels zu nennen. Aber mit gezielten Fragen, so wußte ich aus Erfahrung, kam man im literarichen Bereich dort eh nicht weit. Jedoch konnte einem geholfen werden, wenn man die Handlung eines bestimmten Pornos erfahren wollte – wobei ich mich heute noch frage, wie sich Pornos auf der Handlungsebene inhaltlich großartig unterscheiden.

Was mir in diesem Zusammenhang auffiel, ist, dass Otto-Normaltucke sich scheinbar zunehmend weniger für Kultur interessiert. Wo ist denn heute das Bild des eloquenten, gebildeten und kulturbeflissenen Schwulen? Wo ist er, der abends auf der Couch liest, nachdem er von einer kulturellen Veranstaltung kommt und sich schon auf den sonntäglichen Museumsbesuch freut? War die Kultur nicht sogar immer ein Haupttätigkeitsfeld? Wenn ich mich hier zum Teil im Chat umschaue, so denke ich, dass davon nur noch der Dunst des Anscheins eines Schimmers zu erahnen ist.

Man actet jetzt sogar schon so straight, dass man dies selbst auf die geistigen Fähigkeiten beschränkt und sich eben wie die breite Masse der Verblödung preisgibt. Viele hangeln sich kriechtiergleich von Montag zum Freitag um dann nach Einwurf der wöchentlichen Pillenration bis Zum Montagmorgen durchtanzen und –feiern zu können. Und da man Samstags mittags ja eh nicht von dem Trip runterkommt huscht man mal schnell noch durch die Stadt und stattet sich für den Abend mit Gucchi und Prada, Dumm & Geil, und H & M aus.

Schade, somit fällt dann wohl ein Archetyp der Spaßgesellschaft zum Opfer und das 21. Jahrhundert wird wohl ohne Dandyismus auskommen müssen.

Sonntag, August 28, 2005

Negative Einstellungen zu positiven Neuigkeiten

Ich weiß nun seit etwa vier Wochen, dass ich HIV positiv bin und gehe damit ganz offen um und erwähne es auch immer während des Chattens, was oftmals dazu führt, dass viele sich dann nicht mehr auf Sex einlassen wollen. Dennoch mag ich diese Gespräche, denn so bekomme ich die Möglichkeit, dass ich Menschen zum Nachdenken anregen kann und es sind oftmals sehr tiefgreifende Chats, die aus dieser Situation entstehen, hierbei sei angemerkt, dass das Unwissen zum Teil verherend ist und ich bin wirklich entsetzt wie wenig viele doch über ein so brisantes Thema wissen.

Doch das Anliegen meines heutigen Beitrages ist es, dich, mein werter Leser, einmal kurz innehalten zu lassen und dir einige Fragen zu stellen, die deinen persönlichen Umgang mit diesem Thema betreffen.

Zu jedem Thema gibt es auch Utopien, die eine bessere Zukunft versprechen. Weshalb ich aufzeigen will, dass wir gerade, was HIV betrifft einer “brave, new world” im wörtlichen Sinne noch ziemlich fern sind.

Vorab sei jedoch gesagt, dass sich dieser Beitrag nicht gegen persönliche Entscheidungen richtet und ich diese Personen “verurteilen” möchte. Es ist nunmal ein Gebiet, das zu intim ist, um dort einen moralischen Ansatz zu machen, da es hier um Emotionen wie Angst oder besser Furcht geht. Dennoch gibt es auch hier Kausalitäten und mir liegt es am Herzen, dass man sich wenigstens vor Augen führt, dass man individuell gesehen zwar gute Gründe haben kann, sich jedoch auch bewußt sein sollte, dass wenn alle sich so verhalten, die Ausgangssituation paradoxerweise genau das heraufbeschwört, was man eben nicht will und man ebenso wie Ödipus dem Schiksal, dem man entgehen will in die Arme läuft.

Du bist selber negativ und hast auch keine Berührungsängste mit Positiven?

Prima, du hast den Soll-Zustand schon erreicht und kannst eigentlich aufhören zu lesen.

Du bist positiv und gehst ganz offen mit dem Thema um?

Ebenso prima, auch du bist nicht Zielgruppe des folgenden Textes.

Du bist negativ und hast ein Problem damit Kontakt oder gar Sex mit Positiven zu haben?

Ok, dies kann ich nachvollziehen. Jedoch sei dir gesagt, dass du wahrscheinlich schon oft Sex mit Positiven hattest, ohne es zu wissen, denn eins steht fest: Wenn jeder Positive hier bei Gayromeo einen roten Rahmen um sein Profil bekäme, man könnte schwerlich noch von einem “blauen Einwohnermeldeamt” sprechen. Dieses Thema betrifft nun einmal uns alle und nur weil wir es nicht sehen, heißt dies nicht, dass wir davor gefeit sind. Wer dies glaubt ist nicht reifer als ein Kind, das sich die Augen zuhält in dem Glauben, man könne es nicht sehen, wenn es selbst nicht mehr sieht.

Stellst du dich denn deinen Ängsten? Warum nicht? Glaubst du wirklich, dass diese vielleicht eines Tages über Nacht verschwinden, ohne, dass du etwas dafür getan hättest? Ich denke, dass man ein Problem nicht löst, indem man die Augen davor verschließt, sondern eben nur, wenn man sich diesem Problem gegenüberstellt.

Und was bewirkt dein Weglaufen denn? Es bewirkt im großen Rahmen gesehen, dass konsequenterweise die Zahl derer, die so ehrlich sind und dich über ihren Status aufklären bevor es zu sexuellen Kontakten kommt, immer weiter abnimmt, da sie ja nicht auf Sex mit dir verzichten wollen.

Somit ist deine Ablehnungshaltung de facto eine Aufforderung zur Lüge, so hart das auch klingen mag im Einzelfall, so ist es doch im größeren Kontext betrachtet der einzig logische Schluss.

Du bist positiv und versteckst dich oder behauptest gar du seist negativ?

Wenn zweiteres auf dich zutrifft, solltest du generell einmal deine moralischen Maßstäbe überprüfen. Wenn ersteres auf dich zutriff, so kann ich dies ebenfalls gut verstehen, jedoch ist es genauso paradox wie die Ablehnungshaltung einiger Negativen dir gegenüber.

Auf was wartest du? Darauf, dass die Gesellschaft sich ändert? Wieso sollte sie das tun, wenn man das Problem nicht sieht? Sollte es nicht gerade dir als Betroffenem ein Anliegen sein, dass man dich endlich wahrnimmt? Ist es nicht um ein vielfaches schwerer, wenn denn mal ein Unfall passiert ist, es im Nachhinein zu sagen, um den anderen wenigstens zu warnen und ihm die Möglichkeit einer sofortigen Präventionsmaßnahme zu geben? Oder würdest du dies dann immer noch verschweigen und somit den Ruf des Positiven als “Mörder” zu unterstützen?

Überlege einmal, was passieren kann, wenn du es vorher erwähnst. Es kann sein, dass du eine Abfuhr bekommst, was du jedoch so auch oft genug tust. Aber es ist doch im Grunde genommen egal, ob du nun zu dick/dünn, groß/klein oder eben zu positiv bist. Wenn jedoch alle mit diesem Thema offen umgingen, dann würde es langfristig auch für viele Negative kein Problem mehr darstellen, da es ein Alltagsthema wäre, mit dem jeder gelernt hat umzugehen. Klar ist dies momentan noch sehr utopisch, jedoch wird es das auch bleiben, wenn wir nicht bereit sind Mut zu zeigen und etwas in gang zu setzen. Wir sollten uns ein Beispiel nehmen an den Schwulen in der Christopher Street. Hätte es sie und all die späteren Aktivisten nicht gegeben, könnte man heute noch nicht händchenhaltend als schwules Paar durch die Straßen ziehen, was man ja leider auch noch nicht überall kann.

Mir ist sehr wohl bewußt, dass dies für jeden ein schwerer Schritt ist, jedoch zeigt mir meine Erfahrung und die Gespräche der letzten Wochen, dass die Tabuisierung mit steigendem Alter abnimmt und dieses Thema für viele ältere Betroffene als auch Nicht-Betroffene längst zum Alltag gehört. Man steht HIV mit Respekt jedoch nicht mehr mit Angst gegenüber, da man gelernt hat, damit zu leben, sei es weil man es aufgrund einer Diagnose musste oder es eben tat, weil man eingesehen hat, dass weglaufen nichts bringt.

Nichts auf dieser Welt passiert einfach so und daher kann ich nur jedem Einzelnen ans Herz legen, dass er bedenkt, dass sich nur dann etwas verändert, wenn man bereit ist, selbst auch seinen Teil dazu beizutragen.

Wenn ein Dominostein umfällt mag das albern aussehen und nichts bewirken, jedoch hat uns der Dominoday mit seinen jeweiligen Rekordversuchen gezeigt, welch herrliche Bilder und Effekte man erreicht, wenn alle Steine liegen.

Sei nicht der Stein außerhalb der Kette, der nachher nicht im “Bilde” ist, es wäre schade – und zwar für dich!

Dienstag, August 23, 2005

Sind zwei Halbe ein Ganzes?

Genau heute vor 15 Jahren, am 23.August 1990 beschloss die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik mit 194 von 400 Stimmen den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes zum 3. Oktober.

Ein Entschluss, der ein geteiltes Land einigte und ihm endlich ein klare Definition gab, die es vorher in seiner gesamten Geschichte nie hatte. Denn was war Deutschland zuvor? Nie zuvor hat es eine so stabile Abgrenzung nach außen gegeben und die Akzeptanz der aktuellen, völkerrechtlichen Grenzen wurde bis dato immer diskutiert. Von einem jahrhundertelang zerstückelten Etwas, dass dann durch Napoleon geordnet wurde hin zur Diskussion ob man denn großdeutsch oder kleindeutsch sein wolle über diverse Bünde, Anspürche an einzelne Gebiete, schleswig-holsteinsche Fragen, Versailler Regelungen, Korridore, einem Volk ohne Raum, Besatzungszonen, ursprüngliche Provisoriumsstaaten zur letztendlichen Einigung.

Vieles ist seitdem klar und es werden keine territorialen Fragen mehr gestellt, jedoch sin viele innerdeutsche Probleme noch bis zum heutigen Tage nicht gelöst ganz zu schweigen von einer einheitlichen deutschen Identität. Der Deutsche an sich denkt immer noch in den Kategorien “Ost” und “West” und es ist eben noch nicht dasselbe, wenn man gebürtig aus Regensburg oder Leipzig kommt. Dies kann man auch noch nicht verlangen, da die aktuell lebende Bevölkerung schließlich größtenteils nur ein getrenntes Land erlebt hat und mit zwei Staaten großgeworden ist.

Da ich mich momentan aus beruflich-studientechnischen Gründen sehr mit nationaler Identität beschäftige, stellt sich mir unweigerlich die Frage, was denn bitteschön “deutsch” sei. In vielen Fällen ist die Sachlage klar, jedoch was ist eben mit Deutschen, die seinerzeit deutsch waren, deren Geburts- oder Wirkungsstätten jedoch heute anderen Nationen zugehörig sind? Was ist mit dem geteilten Deutschland? Warum gilt Kafka als deutscher Dichter, wo er doch im österreichischen Vielvölkerstaat lebte und heute sogar Tschesche wäre? Ist Honecker genauso “deutsch” wie Adenauer? Warum gilt die “Quiche Lorraine” als französisch, der “Elsäßer Flammkuchen” jedoch als deutsch? Darf man mit Nationalstolz in der Zauberflöte eine Mozartkugel essen oder sollte man doch eher auf der sicheren Seite die Eroica hören? Ist Brzezinka nicht um einiges mehr mit Deutschland verbunden denn mit Polen?

Ganz verwirrend wird es dann mit Exilanten und Personen, die aus verschiedenen Gründen unser Land verließen. Hat sich nicht Marlene Dietrich mit ihrem Auftritt an der Front bewußt gegen ihr “deutsch-Sein” ausgesprochen? Ist Georg-Frederic Haendel ein deutscher oder doch eher Georg-Friedrich Händel ein Engländer? Waren die Comedian Harmonists gegen Ende ihrer Karierre noch immer eine “deutsche” a-capella-Gruppe?

Ich denke, dass man diese Fragen nie absolut sehen kann. Wir haben nicht den großen Vorteil der Amerikaner, bei denen klar ist, was “amerikanisch” ist und können eben nicht so leicht entscheiden, wer, was und wo wann etwas “deutsch” ist und war, sondern müssen dies immer wieder im Einzelfall kontextuell erschließen und uns fragen ob es zum jeweiligen Zeitpunkt “deutsch” war über was wir sprechen. Oder aber wir wählen in solchen Fällen die einfacherere Variante und stellen einfach fest, dass eben jene Person oder aktion “deutsch-sprachig” ist, wobei wir uns dann allerdings wohl einige eindeutig schweizerische Errungenschaften zu eigen machen.

Ein komplexes, jedoch hochinteressantes Thema, zu dem es bestimmt immer wieder auslösende Ereignisse gibtm, die mich veranlassen werden, ähnliche Gedanken erneut aufzugreifen.

Jedenfalls ist dies genauso vertrackt, wie bei einem Kölner, mit dem ich mich vor Jahren einmal unterhielt: Er sagte, er sei leider nur ein halber Kölner, denn hier käme es ja darauf an, ob man in der Stadt geboren sei oder nicht und er jedoch bedingt durch seine frühe Geburt noch als Porzer geboren wurde und sein Stadtteil erst kurze Zeit später der Domstadt einverleibt wurde. Ist er jetzt weniger Kölner als sein 5 Jahre jüngerer Nachbar?.

Sonntag, August 21, 2005

Eine Woche voller Sonntage – abschließender Kommentar

So, nachdem ich mich in den letzten Tagen und ganz besonders gestern in diversen Chats mit Mitusern gestritten habe und versucht habe meine Ansichten zu begründen und zu verteidigen, werde ich nun einen abschließenden Kommentar zum Weltjugendtag 2005 in Köln verfassen, indem ich mich gerade auf die letzten Tage stützen werde.

Ich war und bin sehr ergriffen von diesem Großereignis, das sich der Weltöffentlichkeit geboten hat: Der Papst, 800 Bischöfe, 10.000 Priester und ca. eine Million Gläubige aus fast 200 Nationen auf 5 Kontinenten zu einem einzigen Ereignis zusammenzurufen ist eine beachtliche Leistung, die wir überwiegend unserem ehemaligen Papst Johannes Paul II. zu verdanken haben, auf den sich der aktuelle Papst auch immer wieder bezogen hat und somit verdeutlicht hat, dass er in seinem Sinne eine gewisse Kontinuität anstrebt.

Wenn auch das Wetter in der letzten Nacht die Gläubigen sehr gefordert hat und das Marienfeld in eine Szenerie verwandelt hat, die der von Woodstock glich, so denke ich doch, dass es eben für diese dort versammelte Jugend ein Erlebnis besonderer Qualität war.

Ausgehend vom Marienfeld komme ich nun zu einigen auffallenden Symbolen dieses Wochenendes und damit meine ich jetzt nicht die Tatsache, dass sich unter einem zugeschütteten Tagebau eine braune Vergangenheit versteckt. Vielmehr fand ich es wunderbar, dass man für den Altarhügel die Erde aus 70 Nationen verwendet hat und ebenso ergriffen war ich von der Verteilung des Logos zum Abschluss des Weltjugendtages, um dies in alle Teile der Welt zu transportieren, was ja an sich schon durch die Medien geschehen ist. Hierbei sei kurz angemerkt, dass ich nun offiziell weiß, dass ein Segen, den man in einer Live-Übertragung sieht im Gegensatz zu dem Segen in einer Maz volle Gültigkeit besitzt und so gewertet werden darf, als sei man direkt dabei gewesen. Auch die musikalisch-weltumspannende “Missa Mundi” hatte für mich einen Symbolcharakter, der seinesgleichen sucht. Wobei mir auch sehr gut gefallen hat, dass man in der Vigilfeier mittels des Klarinettenstücks eine Brücke geschlagen hat vom “Ave Maria” zurück zu den Wurzeln und eines langjährigen Kokurrenten des Christentums dem Judentum, jedoch werde ich auf dieses Thema später noch zu sprechen kommen.

Selbst Papst Benedikt – anfänglich noch in der gewohnten Zurückhaltung – war zum Ende hin doch dem Charisma seines Vorgängers entgegengekommen, ohne jedoch seinen intellektuellen Anspruch zu verlieren. Und teilweise hat er es sprachlich sehr gut geschafft seine Botschaft den jungen Menschen und der modernen Welt zu verdeutlichen, was ganz besonders zu Beginn der heutigen Predigt zu erkennen war, wo er sich zur Erklärung der Wandlung auf das allegorische Feld der Wissenschaften begab und von “Kernspaltung”, “Explosion” und “Ketten der Verwandlung” sprach.

Allerdings gab es auch einige Formulierungen in den letzten Tagen, die mich als bekennenden Kritiker zum Nachdenken angeregt haben. Im Zusammenhang mit der Eucharistie als Wandlung und veränderndem Bestandteil des Glaubens, äußerte er den Satz: “Alle Menschen warten auf Veränderung.” Dies ist meines Erachtens eine sehr richtige Einschätzung der Ansprüche, die die Kirchengemeinschaft als auch Menschen außerhalb dieser Gemeinschaft heutzutage an die Amtskirche stellen. Die Frage stellt sich allerdings, ob die römisch-katholische Kirche diesem Anspruch schon gerecht wird.

Schauen wir uns doch die “Große Familie Gottes”, von der die Rede war, einmal genau an und überprüfen, ob diese all jene mit einschließt, die in dem letzten Satz der ersten Lesung (Jes. 43,7) ihre Erwähnung finden, der da lautet: “Denn jeden, der nach meinem Namen benannt ist, habe ich zu meiner Ehre erschaffen, geformt und gemacht.”

Bevor ich eben später zu dem Verhältnis zu Außenstehenden kommen werde, versuche ich zuerst einmal zu ergründen, ob denn in diesen Kreis alle getauften Katholiken mit inbegriffen sind. Doch ich muss nicht lange suchen, um die ersten schwarzen Schafe der Herde zu finden. Denn wie schon erwähnt wurde sind es zum Beispiel die Geschiedenen, aus welchen Gründen sie auch immer zu diesem Entschluss gekommen sein mögen und wie man gesehen hat, gibt es sehr wohl gute Gründe dafür. Diese werden durch den Ausschluss aus der gemeinschaft gestraft bzw. dürfen nicht mehr die heilige Kommunion empfangen, wenn sie eine neue Partnerschaft eingehen, obwohl doch der Papst deutlich sagte, dass ‘die Einheit sich in der Vergebung und der Einsicht für die Nöte Anderer zeigen muss’. Doch auch der zweite Teil dieser Aussage stimmt nicht ganz. Denn ferner hat er gesagt, dass man “an den Leiden nicht vorbeigehen” soll, jedoch verschließt er sich ganz und gar dem Leiden der HIV-Kranken in Afrika, denen er eine vielleicht rettende Prävention verbietet und lieber nachher Spenden sammeln lässt, wenn die Krankheit ihren Tribut gefordert hat und die Versorgungskosten in die Höhe schnellen.

Ebenso wird eine weitere Gruppe kategorisch verneint, obwohl sie in den eigenen Reihen der Kleriker sehr stark vertreten ist. Man verneint, dass Liebe eben keine geschlechtlichen Grenzen kennt und dass obwohl man sich wünscht, “dass die Liebe das beherrschende Maß der Welt werde”. Im Gegensatz dazu rät man den Liebenden zu Heilung und Unterdrückung der eigenen Gefühle.

Man dürfte jetzt eigentlich meinen, dass diese Ansichten per se irrelevant seien, da der Kleriker an sich ja aufgrund des Zölibats keine Ahnung von Trieben hat und daher auch zur Sexualmoral schweigen sollte. Ein Trost, den sich viele einreden. Jedoch ist dem leider nicht so, denn viele wissen genau wovon sie da sprechen, was die allbekannten Sexualstrafprozesse zeigen und was weiterhin durch das schon offene Geheimnis untermauert wird, dass man, wenn es nicht an die Öffentlichkeit kommt, sogar Alimente von der Diözese bezahlt bekommt.

Aber dies muss man dem heiligen Vater eingestehen: Er hat zumindest angedeutet und dies mehrfach, dass auch die Geistlichkeit nicht unfehlbar sei und dass es innerhalb der Amtskirche auch “Unkraut” gibt. Jedoch hat er dies in einen historischen Kontext gestellt, was dem Ganzen wieder eine gewisse Relativierung zuteil werden lässt. Wobei, wenn man den Gedanken in die Zukunft transferiert, man auch akzeptieren muss, dass heute geltende Dogmen, morgen auch schon zum “Unkraut” gehören könnten. Aber er hat ja auch indirekt zum Ausdruck gebracht, dass er sich eben nicht mehr entschuldigen müsse, da dies ja sein Vorgänger schon getan hätte, womit er dann auf die Schrift “Mea Culpa” anspielt, die wahrlich eine Entschuldigung war, jedoch nur für einen Teil der Opfer. Zudem wurde eben jene Veröffentlichung damals durch eine zweiteSchrift sehr schnell wieder relativiert, da “Dominus Iesu” etwa ein halbes Jahr später, die römisch – katholische Kirche wieder zur einzig wahren Religion erhob.

In seinem Stück “Nathan der Weise” eingebettet, hat Lessing uns eine wunderschöne Sichtweise aufgezeigt, wie man die Weltreligionen einzuschätzen habe. Die Ringparabel ist für meine Sicht jedoch dahingehend nicht ganz korrekt, dass sie davon ausgeht, dass eine der drei Religionen die Echte und Wahre sei, wenn sich auch nicht mehr herausfinden lässt, welche dies ist. Meine Weltanschauung lässt es leider nicht zu, dass man im Gebiet des Glaubens überhaupt die kategorialen Begrifflichkeiten “richtig” und “falsch” objektiv anwenden kann. Ich denke vielmehr, dass jeder seinen “richtigen” Glauben in sich trägt und daher sein Weltbild und seinen erkenntnistheoretischen Ansätze selbst mitgestalten können sollte. Ich würde an dieser Stelle nicht so weit gehen wie ein Freund, der behauptete Kirche sei die Vergeißelung der Seele all jener, die etwas zu glauben brauchten und denen die Wahrheit nicht passte, denn dann würde ich meine Sichtweise ebenso wie die Amtskirche anderen Perspektiven gegenüber erhöhen. Jedoch hat er insofern recht, dass sehr viele Mitglieder der Kirchengemeinde ihren Glauben nicht reflektieren, sondern einfach das nachbeten, was Rom ihnen vortanzt und eben nicht im kantschen Sinne aufgeklärt sind, da sie noch immer in ihrer von außen auferlegten Unmündigkeit gefangen sind.

Und dadurch, dass ich mir einen eigenen Glauben und ein subjektives Weltempfinden entwerfe wird Religion noch lange nicht zum “Marktprodukt”. Die großen Religionen unserer Welt sind sehr wichtig, da sie die menschlichen Werte definieren und bewahren und selbst ein Weltbild wie das meinige, dass sich klar von der Amtskirche distanziert, ist in diesen Werten verwurzelt und konnte nur durch eben jene entstehen. Und auch muss ich feststellen, dass es nicht stimmt, dass “selbstgesuchte Religion [...] uns in der Stunde der Krise allein [lässt]”.

Aus genau diesen Gründen mag ich es nicht, wenn sich die katholische Kirche anmaßt gegenüber anderen Glaubensrichtungen (selbst innerhalb des Christentums) einen Hegemonialanspruch zu haben und die einzig Wahre Kirche zu sein, denn somit stellt sie sich als religiöse Herrenrasse dar. Sie sollte vielmehr akzeptieren, dass sie eine unter mehreren ist, anstatt sich ständig über die anderen zu erheben.

Jetzt mag der Widerspruch kommen, der mir auch schon in einem Chat zugetragen wurde, dass doch der Papst gerade an diesem Wochenende Türen geöffnet habe zu anderen Religionen. Jedoch kann man nur dort Türen öffnen, wo sich auch Mauern befinden, die ja irgendwann einmal gebaut worden sein müssen. Und man sollte nicht allzu stolz auf ein Fiedensfest sein, wenn man maßgeblich am vorangegangenen Krieg beteiligt war. Es stimmt schon, dass er die Kommunikation zu den anderen Glaubensgemeinschaften gesucht hat, jedoch wurde paradoxerweise bei der Messe explizit darauf hingewiesen, dass eben nicht alle “kommunizieren” dürfen. Zumindest gab’s jedoch für die Ausgeschlossenen einen Segen, wenn sie diesen durch ein reuiges Kopfsenken erbaten.

Zum Abschluss jedoch keimt in mir noch einmal Hoffnung auf. Die heutige Jugend wurde wie folgt beschrieben: “Dies ist die Generation, die Gott sucht”.

Dies lässt ja implizit erkennen, dass man ihn bisher noch nicht gefunden hat. Und ich kann nur hoffen, dass man ihn auch nicht dort findet, wo die Kirche ihn gerne sähe.

Ich könnte mich jetzt noch weiter über Religion und Toleranz zwischen den Kulturen auslassen, jedoch will ich einmal in eben diesem Zusammenhang abschließend auf zwei weitere, jedoch weltliche Ereignisse aufmerksam machen, die in den letzten Tagen etwas im Schatten des Weltjugendtages untergegangen sind und deren symbolische Bedeutung man anderenfalls wohl eher wahr genommen hätte.

Zum einen wurde der Ghaza – Streifen geräumt, was ja unübersehbar mit dem obigen Thema zu tun hat. Jedoch fand an diesem Wochenende zum ersten mal auf der neuen Rennstrecke in Istanbul ein Grand Prix statt und man hat die Türkei als Bindeglied zwischen den Kulturen in die Formel Eins mit aufgenommen.

Und genauso weltlich wie der letzte Absatz wird auch mein nächster Kolumnenbeitrag werden. Jedoch nehme ich mir zuerst einmal ein paar Tage Pause.

Samstag, August 20, 2005

Eine Woche voller Sonntage – Erweiterung

Also, da es ja mal wieder um ein kirchliches Thema ging, war es mir eigentlich wieder klar, dass ich mich den Vorwürfen stellen muss, die gegen mich erbracht werden.

Vor ab einmal: Ich habe diesen Text nicht primär als Homosexueller geschrieben, der allees “nicht-schwule” kritisieren will, sondern vielmehr als römisch-katholischer Christ, dem die Institution seiner Kirche ganz und gar nicht gefällt. Und dies werde ich so lange tun, bis ich mit ihr konform laufe oder sie mich exkommuniziert. Heinrich Böll, seines Zeichens auch ein Mitglied dieser Organisation jedoch auch ein harter Kritiker, sei mir diesbezüglich ein Vorbild.

Die Kirche war und ist ein sehr wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft, denn einerseits hat sie viel zu unserer Kultur und deren Erhaltung beigetragen und andererseits wären wir wohl in noch größeren Sorgen, wenn sie unser Sozialsystem nicht unterstützen würde.

Auch ich habe sehr viel Respekt vor jedem der glaubt, allerdings nicht, wenn es dies unreflektiert tut und einfach als Höriger von Rom sein irdisches Dasein fristet. Denn leider stellt man viel zu oft fest, dass einige Menschen sich nicht die Mühe machen, sich mit anderen Gedanken als den von Rom oktroyierten auseinander zu setzen. Eine sehr engstirnige Einstellung meines Erachtens. Man plappert einfach nach, was man hört und verneint jedweden anderen denkansatz, anstatt differente Meinungen auch zuzulassen und sich mit ihnen auseinander zu setzen.

Was mich aktuell hier in Köln stört, ist die Tatsache, dass diese eine riesengroße Heuchelei ist, ebenso wie der Karneval, an dem ja alle ach so fröhlich sind oder der CSD, bei dem zum Teil die Untolerantesten nach Toleranz schreien. Inhaltlich gab es nichts Neues zu hören von unserem heiligen Vater und in Anbetracht der Tatsache, dass sehr viele der Anwesenden zum Teil in Ihrem Verhalten den amtskirchlichen Vorgaben entgegenstehen, so war und ist der WJT wohl eher eine Selbstverherrlichung und hat mehr mit Personenkult denn mit Gläubigkeit zu tun. Es ist eine einfache, aufgebauschte Effekthascherei.

Wenn man sich die Kommentare und Interviews einiger Jugendlichen anhört, die nach Köln gepilgert sind, so hatten auch sie ihre Bedenken, dass die Kirche nicht zeitgemäß sei und sie oftmals anderer Ansicht sind und die Amtskirche als archaisch und antiquiert ansehen, wenn auch ihr Glaube stark ist. Trotzdem stehen sie da und jubeln, woei für einige auch billige Reisekosten ein ernstzunehmeder Faktor für ihren Pilgerurlaub gewesen sein mögen.

Um noch einmal zu dem Kurs der Kirche zurück zu kommen: Johannes Paul II. Hat sehr viel Gutes in seiner Ära vollbracht, jedoch hätte man nach seinem Tod einen Kurswechsel vornehmen sollen. Denn ich denke, die Prioritäten sind momentan falsch gesetzt. Der aktuelle Pabst macht immer wieder deutlich, dass er kein Interesse an den Problemen der heutigen Zeit hat. Vielmehr macht er sich Sorgen um die zunehmende Säkularisierung in Europa. Und das zeigt doch einmal mehr, dass es der Amtskirche mehr um Machtansprüche geht, denn um christliches Handeln. Denn solange in Afrika die Menschen verrecken, sollte es einem Christen egal sein, wie es um den Einfluss auf die Menschen in Europa bestellt ist. Und vielleicht würde die römisch-katholische Kirche wieder mehr Zulauf bekommen, wenn sie sich auf das konzentrieren würde, was die Menschen bewegt und betrifft. Zudem sollte sie nicht nur die in ihre Gemeinschaft aufnehmen, die ihnen passen, sondern auch die, die vielleicht zu ihr kommen wollen und nicht pauschal ganze Gruppen außen vor lassen.

Dienstag, August 16, 2005

Eine Woche voller Sonntage

Heute beginnt sie: Die Woche der Scheinheiligkeit und das direkt bei mir um die Ecke in der schönen Domstadt Köln am Rhein.

Die Hochburg von Karneval und CSD bekommt jetzt ein weiteres Großevent, bei dem Männer sich in Fummel schmeißen und Tausende unter einem Motto die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit erlangen. Bunte Fahnen werden gehisst (diesmal jedoch weder die der garden, noch die Regenbogenflagge) und man zieht durch die Straßen. Mit Bedauern musste ich jedoch feststellen, dass diese Parade leider ausschließlich aus Fußgruppen besteht, da sich lediglich ein Teilnehmer auf einem Wagen präsentieren wird und so christlich man auch ist, geizt man dennoch am Wurfmaterial. Noch nicht mal eine simple Kamelle wird es geben , geschweige denn Kondome.

Dazu habe ich heute eine erschreckende Nachricht im Lokalmagazin gehört. Einige der örtlichen Institutionen hatten angeregt, aufgrund der hohen Besucherzahl, die sich ja nun einmal hauptsächlich aus Jugendlichen zusammen setzt, die gerade auf den sexuellen Produktionshöhepunkt ihres Lebens zusteuern und deren Hormone noch ab und an leicht durchzugehen drohen, dass man doch kostenlos wie bei anderen Großereignissen und Projekten der “Begegnung” Kondome verteilen könnte. Dies wurde jedoch von kirchlicher Seite abgelehnt. Also da bleibt einem doch der Atem weg, wie man so ignorant sein kann. Da ich mich ja gerade in letzter Zeit mit dem Thema beschäftigt habe und mir die aktuellen Zahlen bekannt sind bezüglich der Neuinfektionen diverser sexuell übertragbarer Krankheiten, so stellt sich mir die Frage, ob man wirklich der Meinung ist, dass Weihwasser da den adequaten Schutz bieten würde. Aber vielleicht ist es auch nur eine gewisse Überheblichkeit frei nach dem Motto: Wir haben ja weltweit genug Katholiken, macht ja nix wenn wir uns davon ein paar wegvögeln. Hauptsache der Pappa bekommt auf Verdacht im Voraus einen kompletten Krankenhausflur für sich alleine leer geräumt. Da kann man dann nur hoffen, dass, sollte ihm etwas zustoßen, das zuständige Labor für die Blutkonserve, dieses Thema nicht so wegblendet wie er.

Aber was soll dem guten Mann schon passieren außer, dass er sich den Knöcheln umknickt, da er über eine der Blomben an den Kanaldeckeln gestolpert ist, die ja dort als Anti-Terror-Maßnahme angebracht wurden. Wobei ich mich hierbei auch frage, ob es nicht kostengünstiger gewesen wäre einfach ein Team da unten Patroullie laufen zu lassen an den betreffenden Tagen als vorher wochenlang Menschen zu engagieren, die aus der Kölner Kanalisation den reinsten Knüpfteppich machen.

Da ich mich gerade heute mit der Semiotik von Flaggen beschäftigt habe, bin ich einfach einmal auf die offizielle Weltjugendtagsseite gegangen und habe mir deren Erläuterung des Logos angeschaut, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie eine so archaische Institution ein so modernes und peppiges Logo rechtfertigen würde. Wie gut, dass solche Zeichen immer einer gewissen Ambiguität obliegen und der Interpretation somit freien Lauf gelassen werden kann. Denn das Kreuz hat für mich weniger mit “Christi Gegenwart” denn mit dem Kreuz, dass uns die Kirche seit Jahrhunderten auf die Schultern legt, zu tun und dessen Rote Farbe ist für mich auch mehr Symbol für das Blutvergießen in der Geschichte der Kirche. Der Dom hingegen gefällt mir recht gut und auch der blaue Bogen, der sich ja noch sehr leicht als Rhein erkennen lässt. Doch ist der Stern wirklich ein Sinnbild der “göttlichen Führung und ist ein Orientierungszeichen”? Oder ist es vielleicht die Vorahnung eines Zeichens aus dem Orient in Form eines herniederkommenden Flugzeugs, dass dann nicht von Gott sondern vielmehr von den Taliban oder sonstwem kommt? Wenn dem so wäre, dann würde es ja dennoch passen, denn es wäre dann ein heiliger Krieg zu einem heiligen Anlass und man wollte den WJT ja sowieso dazu nutzen, sich mit anderen Religionen auseinanderzusetzen.

Ich werde diese Woche dazu nutzen, herauzufinden, ob unsere liebe Stadt diese logistische Generalprobe der Weltmeisterschaft bewältigen kann und sollte dem nicht so sein, dann werde ich wissen, dass ich im nächsten Jahr, wenn es dann über Wochen so voll sein wird am Rhein, frühzeitig flüchte..

Freitag, August 12, 2005

Der kleine Marquis de Sade in uns

Ich habe in den letzten Tage eine erschreckende Feststellung gemacht: Jeder Mensch, der sein Leben ernst nimmt ist ein Sadist!

Dies mag jetzt im ersten Moment sehr schrecklich klingen, jedoch musste ich es so formulieren, damit ich die Aufmerksamkeit meiner Leser sofort schnappen kann.

Eingentlich zäume ich nämlich gerade das Pferd von hinten auf, oder wie es der Engländer nun sagen würde, da dieses Sprichwort bei ihm idiomatisch etwas verschoben ist, spanne ich den Karren vor das Pferd.

Also jetzt mal von der richtigen Seite an den Gedanken herantreten:

Da ich in den letzten Tagen ja sehr oft darauf angesprochen wurde, wie ich denn in Zukunft mein Leben gestalten wolle und ob es jetzt nicht der richtige Moment sei alles hinzuschmeißen, sich umzuentscheiden oder sonstigen Killefitt zu tun, habe ich erst einmal festgestellt, dass mein Leben genauso weitergehen wird wie bisher. Und bisher fragt man sich immer noch, was besagter Marquis jetzt wohl mit der Sache zu tun hat. Naja, es war so, dass ich in einigen der Gespräche versucht habe darzustellen, worin für mich der Sinn im Leben liegt. Dabei war meine Argumentationslinie so gestaltet, dass ich versuchte darzustellen, dass heirbei wohl der Weg das Ziel sein sollte und ein Leben eben nur dann Sinn macht, wenn man es gestalten kann und auch Probleme vorhanden sind, die bewältigt werden müssen. Denn ein Künstler hat nur so lange eine Aufgabe, wie er an dem Bild malt. Wenn es fertig ist, verliert das Künstlerdasein seine Existenzberechtigung. Das hieße also dann folglich, dass Probleme im Allgemeinen unser Leben nicht hindern, sondern erst dessen Existenzgrundlage sind und man nur dann “lebt”, wenn man mehr tut außer “stoffwechseln” und “fortpflanzen”, was ja eine rein biologische Definition von Leben wäre (auch wenn bei Einigen das Fortpflanzen beziehungsweise, wenn sie vor ihrem Schrank stehen, das Stoff wechseln wesentlich ausgeprägter sein dürfte, als ihre Freude bei der Konfliktbewältigung).

Jetzt bin ich immer noch nicht bei de Sade.....

Also, nochmal kurz zum Mitschreiben: Der Mensch braucht in seinem Leben Aufgaben und Herausforderungen und wenn er etwas erreicht hat, so verliert er daran schnell das Interesse und will entweder mehr oder etwas anderes. Ebenso, und so langsam nähern wir uns dem Marquis (auch wenn immer noch manch einer fragen wird, wie ich den Bogen wohl hinbekomme), ist es auch bei mir, wenn ich beispielsweise SimCity spiele. Ich baue dann die allerschönsten Prachtstädte mit Sehenswürdigkeiten, Paradestraßen, Naherholungsgebieten, schön optisch geordnet das ganze und attraktiv gestaltet, sowohl für den reichen als auch den armen Bürger. Irgendwann jedoch ist jedoch die Fläche, die man zur Verfügung hat bis zur Gänze erschöpft und man stößt an seine (Stadt-)Grenzen. Man kann dann allerdings die Spielfreude kurzzeitig noch einmal aufflackern lassen, indem man nun durch den Bau von einem U-Bahn-System, das man sich vorher aufgrund zu niedriger Steuereinnahmen nicht leisten konnte, die Infrastruktur verbessert. Wenn dies dann geschehen ist, wird noch das Ansehen in die Höhe getrieben, indem man Sozialmaßnahmen durchführt, die Bildung und das Gesundheitswesen ausbaut, für Freizeitmöglichkeiten sorgt und die Steuern senkt. An diesem Moment im Spiel thront man dann über seiner Stadt, ist zwar pro forma noch Bürgermeister, de facto fühlt man sich jedoch als Gott.

Allerdings ist so ein Gott-Sein recht öde. Denn wenn man die Schöpfung anschaut und sieht, dass alles gut ist, so stellt man dann recht schnell fest, dass man keinen Spaß mehr hat, da man stupide auf das Geschaffene schaut, was zunehmend an Attraktivität verliert.

Deswegen (und jetzt kommt er bald wirklich) nutzt man dann diese niedliche kleine Katastrophenoption und erfreut sich daran, wie die eigene Stadt von Hochwassern, Bränden, Erdbeben, Außerirdischen, Tornados oder ähnlich Schlimmen heimgesucht und zerstört wird. Man mag mir jetzt wirklich Psychopathie nachsagen, aber ich habe es selbst einmal soweit auf die Spitze getrieben, dass ich etwa 50 Atomkraftwerke gebaut habe, nur um herauszubekommen, was bei einem Super-Gau passiert und ich es unverschämt fand, dass man dieses Ereignis dem Zufall des Spiels überlassen muss und nicht selbst auslösen kann. Aber wenn man 50 AKWs hat, ist die Chance recht groß, dass früher oder später eins in die Luft geht.

Zurück zu meinem Gedanken: Das Leben definiert sich sozusagen durch seine Hochs und Tiefs und ist auf diese angewiesen und demnach ist der Mensch dahingehend sadistisch veranlagt, als dass er Geschaffenes immer wieder einreißt, damit er es im Nachhinein wieder aufbauen kann. Oder aber er bekommt es von außen genommen, was allerdings dann nichts mehr mit dem eigenen Marquis zu tun hat.

Das interessante an diesem Gedanken jedoch ist, dass wenn es einen Gott gibt, er genau nach dem selben Prinzip verfährt, wie sonst will man sich die Sinnflut, Sodom und Gomorrha, sämtliche Kriege, Naturkatastrophen und Unfälle kurz das Ganze Übel der welt erklären. Desweitern lässt sich dies auch auf den Geschichtsverlauf transportieren: Kleine Reiche wurden groß und wurden zu gut funktionierenden Zivilisationen um dann wieder unterzugehen. Ich kann jetzt nur für uns hoffen, dass wir noch nicht so zivilisiert sind, wie wir glauben zu sein, denn sonst sehe ich für unsere Zukunft schwarz.... Ups, jetzt bin ich schon wieder bei der Bundestagswahl.... Mist.... also nochmal.... sonst sehe ich auf uns den Untergang schon zurollen... Mist, jetzt bin ich bei der Wirtschaftslage.... also dritter Versuch.... sonst Gnade uns Gott.... Mist, jetzt wird’s wieder Kirchenlastig.....

Ich glaube ich lasse den letzten Satz heute mal sein und höre einfach ohne einen Schlusssatz auf.

Samstag, August 06, 2005

Positive Neuigkeiten

Vielleicht hat sich der ein oder andere meiner werten Leser schon gewundert, dass seit längerer Zeit hier nichts Neues mehr erschienen ist. Dafür gibt es jedoch auch einen ganz plausiblen Grund, jedoch möchte ich vorne anfangen.

Bei meiner Zahnsanierung wurde festgestellt, dass ich mal eine heftige Zahnfleischentzündung gehabt haben muss und meine Ärztin riet mir zu einem kompletten Blutcheck, den ich dann auch machte. Als die Werte kamen, wurde mir mitgeteilt, dass der HIV-Suchtest positiv angeschlagen sei und man nahm mir erneut Blut ab und schickte mich mit tröstenden Worten in ein “unsicheres” Wochenende.

Zuerst einmal bin ich in ein tiefes Loch gefallen, habe jedoch versucht einerseits das Gute hinter der Diagnose zu sehen und konnte mich immer noch damit trösten, dass es eventuell auch ein falsches Ergebnis sein könnte, da der Suchtest gerne mal falsch positive Ergebnisse erzeugt.

Wenn ich auch keinem etwas Böses wünsche, so doch, dass jeder einmal solche 5 Tage mitmacht. Sie sensibilisieren ungemein und zeigen einem, dass man mit dieser Krankheit nicht spaßen sollte.

Nach dem Wochenende kam dann das, was ich vorher noch nicht ganz wahrhaben wollte. Das Ergebnis des Bestätigungstest machte seinem Namen alle Ehre und bestätigte den Verdacht.

Die aller erste Frage war “Woher?”. Dies ist auch die erste Frage, wenn man es anderen erzählt. Hierzu kann ich nur sagen, dass ich es nicht sicher weiß. Man kann es auch nicht wissen. Was ich jedoch weiß ist, dass ich immer in meinen Sexualkontakten geschützten Verkehr hatte mit einer Ausnahme, die jedoch negativ ist. Da ich keinen Sinn darin sehe des eigenen Friedens Willen jemandem etwas zu unterstellen oder Sonstiges stelle ich mir die Frage nicht und akzeptiere, dass “safer Sex” eben so heißt, weil er nur “sicherer” ist, denn sonst müssten wir ihn “safest Sex” nennen, was wohl eher auf Telefonsex oder Masturbation zutrifft.

Dieser Tatsache sollte man sich auch immer bewusst sein: Anschnallgurt, Airbag, Überrollbügel und Seitenaufprallschutz sind noch kein Garant dafür, dass der Unfalltod ausgeschlossen werden kann. Und selbst die größten Sicherheitssysteme mit ausgefeilten Techniken können doch immer geknackt werden.

Die Diagnose ist heute kein Urteil mehr wie noch vor wenigen Jahren. Man kann heute sehr gut damit leben und durch den imensen Aufschub, den die Medikamente einem geben, sterben viele vorher an etwas anderem und da ich schon immer der Ansicht war, dass ich jeden Tag damit rechnen muss, von einem Auto überfahren zu werden, mache ich mir darum überhaupt keine Gedanken. Zudem ist der Virus vorerst kontrollierbar und man kann ihn zumindest bis zum Ende hin genau beobachten, was ja bei Krebs je nach Verlauf genauso ist, da man dabei vielleicht eines Tages erfährt, dass er gestreut hat und somit überhaupt nicht mehr festzustellen ist, was mit einem geschieht. Wie die Medikamente sich auswirken, kann ich noch nicht sagen und die Berichte sind diesbezüglich sind sehr unterschiedlich, was mir einen Grund zur Zuversicht gibt, wenn ich auch damit rechne, dass es zu Komplikationen kommen kann. Man sollte halt nur auf einen gesunden Lebenswandel achten, doch das sollte im Grunde jeder von uns tun.

Andererseits denke ich, dass ich einfach so weiterleben werde wie bisher auch, eben nur bewusster. Ich werde auch weiterhin mal einen trinken, auch wenn das nicht unbedingt förderlich ist, da ich denke, wenn man dies in Maßen tut, so ist es doch förderlich, da es auch einen Zusammenhang zwischen dem eigenen Lebensgefühl und dem Krankheitsverlauf gibt. Und ich habe mir vorgenommen, dass die Krankheit mit mir leben muss, nicht ich mit ihr. Ich habe zuerst in “unserer WG” gewohnt und somit muss sie die bestehenden Regeln akzeptieren und kann nicht bei mir mit irgendwelchen Forderungen einziehen. Ich werde den Virus wie einen Mitbewohner behandeln, auf den man sich zwar einstellen muss und vielleicht ab und an Rücksicht nehmen muss, ihm jedoch auch klare Grenzen aufzeigen sollte. Sollte es ein übergreifendes Prinzip auf dieser Welt geben, so bin ich der Überzeugung, dass wenn ich respektvoll mit dem Virus umgehe, dies auch auf Gegenseitigkeit beruhen wird.

Ein Hund beißt meistens nur, wenn man ihn ärgert oder wenn er merkt, dass man Angst hat. Solange man normal mit ihm umgeht, tut er nichts. Wobei hier angemerkt sei, dass dies ein schlechter Vergleich ist, da ich vor Hunden wirklich Angst habe.

Eine weitere Frage ist im weiteren Umgang mit der Neuigkeit gewesen, mir klar zu machen, wie ich mit diesem Thema umgehen werde. Hierbei sei angemerkt, dass ich es sehr respektiere, wenn Menschen sich entscheiden es nur einigen wenigen Vertrauten einzugestehen, da sie es als etwas sehr Privates ansehen und der Meinung sind, dass unsere Gesellschaft noch nicht bereit dazu ist, mit HIV adäquat umzugehen.

Ich jedoch habe mich dazu entschlossen gerade deshalb ganz offen damit umzugehen, da ich denke, dass man die Gesellschaft nur so ändern kann und sie sich nicht ändert, wenn alle dieses Thema kategorisch ausblenden, wie es heute immer noch viele tun. Meiner Meinung nach ist auch der Barebacktrend der letzten Zeit darauf zurückzuführen, dass vielen das Problem nicht bewußt ist, da sie in ihrem näheren Umfeld nicht damit in Kontakt sind und es somit besser ignorieren können. Wenn sie wüßten, wer ihrer Bekannten und Freunde alles den Virus in sich trägt, würden sie wohl ein paar ihrer Vorlieben noch einmal überdenken und eine erneute Risikoeinschätzung vornehmen.

Zudem war und bin ich schon immer ein offener Mensch und wer mich kennt weiß, dass ich je nachdem wie sehr man sich aufeinander einlässt, sehr schnell Hüllen fallen lasse und man oftmals erschreckend feststellen muss, dass es bei mir keine großen Geheimnisse gibt. Alleine mein Profil wird von bösen Zungen ja schon als zur-Schau-Tragen der eigenen Persönlichkeit gesehen. Doch ich habe in meinem Leben immer wieder festgestellt, dass wenn man dem Gegenüber Angriffsfläche bietet, das Paradox eintritt, dass man zunehmend unangreifbarer wird, da man nicht mehr überrascht werden kann. Und in dem Moment, wo jeder etwas über mich weiß, kann er mich nicht mehr mit einem Angriff überraschen, da ich eigentlich damit rechne.

Deshalb habe ich nachdem die wichtigsten Freunde informiert waren auch meine ehemaligen One-Night-Stands (sofern sie erreichbar waren) darüber informiert und mit offenen Karten gespielt. Ich habe dies unter Schweiß und Tränen getan, da ich sehr große Angst hatte, dass negative Reaktionen kommen würden. Jedoch wurde ich eines Besseren belehrt, was meinen Glauben bestärkt hatte, dass Werte wie Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit heute doch noch einen höheren Stellenwert haben als pauschale Verurteilung.

Im engsten Bekanntenkreis waren die Reaktionen auch sehr erfreulich und ich habe ein weiteres Mal vor Augen geführt bekommen, wie wichtig doch Familie und Freunde im Leben sind. Jedoch waren diese Reaktionen ganz verschieden.

Einerseits gab es Menschen, die sofort in Tränen ausbrachen, was mir zeigte, wie wichtig sie mir sind. Jedoch war es möglich Trost zu Spenden indem man aufklärende Gespräche führte und dem ganzen den damit belasteten Schrecken nahm.

Dann waren Reaktionen da, die sich durch gewisse Berührungsängste auszeichnen. Ich kann das sehr gut verstehen, denn ich kann mich nur allzu gut an das mulmige Gefühl erinnern, als ich das erste Mal einem Infizierten die Hand gegeben habe. Man weiß, dass dies Unsinn ist, jedoch ist der Kloß im Hals da. Allerdings verliert man diese beklemmenden Gefühle je mehr Umgang und Kontakt man miteinander hat. Daher werde ich diesen Personen den Raum und die Zeit lassen, sich daran zu gewöhnen und den Umgang langsam zu lernen, denn auch ich bin zurückgeschreckt, als mich ein Freund zum Trost auf den Mund küssen wollte. Aber ich denke, dass man, wenn man diesen Weg gemeinsam gehen kann, neue Fundamente für die Zukunft schafft.

Somit wären wir durch die Erwähnung dieses Freundes bei einer weiteren Reaktion, derer, die zwar Angst empfinden, jedoch dieser keinen Einfluss auf den Umgang mit mir einräumen.

Sicher weiß ich, dass ich in Zukunft auch mit Ablehnung rechnen muss, gerade weil ich mich entschlossen habe, offen mit dem Thema umzugehen, jedoch hat dies auch sein Gutes, da es mir so dann wesentlich einfacher fallen wird, den Wert eines Menschen zu erkennen. Menschen die auf mich zukommen werden und sich ihren Gedanken und Ängsten stellen, besitzen nun einmal die Reife und den nötigen Tiefgang, den man als Mensch haben sollte.

Die, die einfach vorbeigehen und die Augen verschließen, sind es auch nicht wert, dass man sich mit ihnen beschäftigt, da sie eben noch nicht reif sind für den respektvollen Umgang miteinander und in kindlicher Naivität ihr Dasein fristen. Ihnen kann ich nur wünschen, dass auch sie eines Tages erwachsen werden, denn anderenfalls tun sie mir leid. Denn wer weiterhin in Schubladen und Kategorien denken will, der soll dies tun, doch wird er nie die Fülle und Vielfalt des ganzen Lebens erkennen und sich immer nur auf einen Teil des großen Ganzen beschränken. Er wird nie alle Gefühle kennen lernen, nicht damit klar kommen, dass das Leben nun mal nicht nur Sonnentage für uns bereit hält und nicht erkennen, dass Leben heißt Höhen und Tiefen zu meistern und es dadurch erst Sinn bekommt, denn immer wieder das selbe zu tun, zu denken und zu fühlen, wird auf Dauer sehr stumpfsinnig und monoton.

Einen ganz großen Dank an die Menschen, die mir mit guten Worten und Trost sowohl als auch Ablenkung, Interesse und Mitgefühl in den ersten Tagen geholfen haben. Auch wenn sich die Floskeln zum Teil sehr abgedroschen anhören, so tun sie doch gut. Und selbst wenn man gefragt wird “Reicht es, wenn ich die Tasse in die Spühlmaschine stelle?” so ist dies nicht verwerflich aufgrund der Unwissenheit, sondern hoch anzurechnen aufgrund der Aussprache.

Natürlich weiß auch ich, dass dieser Flut des Optimismus eine Ebbe folgen wird. Das ist der Lauf der Natur und der Welt im Ganzen. Alles bewegt sich in Zyklen und nach jedem Winter kommt ein Frühling und auf den Sommer folgt der Herbst. Alles was erbaut wird, stürzt eines Tages ein, um dann wieder aufgebaut zu werden. Daher bin ich auch froh in Köln zu wohnen, einer Stadt, die im zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört wurde und heute wieder lebt. Und alleine der dom sei mir ein Zeichen, denn als man oben fertig war, konnte man unten mit der Renovierung beginnen. Und getreu dem Motto des Kölners, der davon Ausgeht, dass die Welt in zwei Situationen untergeht, nämlich wenn der Dom einstürzt oder wenn er fertig ist, so denke ich: Wenn das Leben sich eines Tages nicht mehr in Hoch und Tief einteilen ließe, so hätte es keinen Sinn mehr. Und ich hoffe, dass ich mich auf viele Sonnentage freuen kann, auch wenn immer wieder die Wolken den blick auf die Sonne verdecken. Aber wie ich mich kenne, werden solche dunklen Momente dann auch hier ihre Erwähnung finden.

Mein Credo ist daher an alle “Gesunden”: Passt auf euch auf und geht nicht allzu fahrlässig mit diesem Thema um.

Allen Infizierten odere denen, die es noch werden kann ich nur sagen: Seht es als eine Bereicherung und neue Herausforderung, die das Leben an euch stellt. Ihr habt eine einmalige Chance hier neue Erfahrungen zu sammeln, die euren Charakter stärken werden und euch die Chance geben Reife zu gewinnen, die anderen nicht zuteil wird. Denn wenn alles in Ordnung ist, kann man auch nicht selbst wachsen. Nehmt die Bezeichnung eures Status ernst und lebt positiv.

Allen kann ich nur sagen: Werdet euch des Lebens bewußt und lebt im Heute, denn Jugend, Schönheit, Gesundheit und Glück sind vergänglich und es kann jederzeit etwas geschehen. Daher verschiebt nicht alles auf morgen, denn jeder einzelne Tag ist ein Geschenk und dieses sollte man nicht zurückweisen, indem man es nicht nutzt. Lebt jeden Tag als wäre es euer letzter und sorgt dafür, dass ihr jeden einzelnen Tag eures Lebens genießt, ganz egal, mit welchen Sorgen ihr euch konfrontiert seht, denn nur so kann man ein erfülltes Leben haben.

Oder wie ein Bekannter von mir immer zu sagen pflegt: Genießt das Leben ständig, ihr seit länger tot als lebendig.