Ben's Kommentar

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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Montag, November 26, 2007

Diskussionsgrundlagen

Nachdem ich gestern „Free Rainer“ gesehen habe – ein Film, der meinen Erwartungen hinsichtlich der Dialoge nicht ganz entsprach, den ich jedoch alleine der Grundidee und ihrer konsequenten Durchdachtheit (auch wenn ein eklatanter Denkfehler darin ist) jedem empfehlen kann (werde aber sowieso noch einmal darauf zurück kommen) – und eben „Anne Will“ gesehen habe, werde ich mal einen Beitrag schreiben, der mir schon seit einiger Zeit durch den Kopf geht, in dem ich mich erst einmal auf den Teil der Fernsehunterhaltung beschränke, der meines Erachtens nach fernab jedweden Vorwurfs wider seine Existenzberechtigung ist: die Polit-Talkrunden.

Doch gerade auf diesem Feld gibt es doch einige mehr oder weniger gravierenden Unterschiede, was dazu führt, dass ich sie irgendwie alle nur so halb mag und es derzeit keine gibt, bei der ich uneingeschränkt sagen kann: „Ja, die ist’s!“. Allerdings ist seit dem Weggang von Christiansen schon einmal der Talk weg, bei dem ich definitiv sagen konnte, „Nein, die ist’s nicht!“, was ja auch schon ein gutes Ergebnis in der Gesamtentwicklung ist.

Wie aber sollte der perfekte Politiktalk aussehen? Um dies zu beantworten, sammele ich erst einmal die Elemente verschiedener Sendungen, die mir besonders zusagen. Fangen wir doch mit dem zuletzt rezipierten einmal an und betrachten Anne Will, deren Coming-out an dieser Stelle noch einmal lobend erwähnt werden sollte und von dem sich andere Promis eine Scheibe abschneiden könnten, wobei es für mich insofern überraschend kam, dass ich dachte, es hätte schon lange stattgefunden, da ich das schon vor Jahren gehört hatte und somit dachte, es sei schon lange öffentlich . Aber dies sei jetzt nicht Gegenstand der Betrachtung. Die Sendung von Frau Will nimmt auf meiner Skala einen sehr hohen Stellenwert ein, da sie sehr gut gemacht ist, meist ein ausgewogenes Gästemeinungsspektrum erfüllt und auch mit der nötigen Sachlichkeit vonstatten geht. Das einzige Manko dabei ist, dass ich nicht immer mit Anne Will in ihrer Moderatorenrolle zufrieden bin. Im Regelfall ist sie sehr gut und kann ein Gespräch auch harmonisch lenken, in einem ausgewogenen Maße, allerdings hat sie ähnlich wie Frau Christiansen, jedoch nur im Ansatz, manchmal die Tendenz zum kärtchengelenkten Talk. Zudem merkt man des Öfteren ihren persönlichen Standpunkt zum Thema, was sich dann in einem subtilen intellektualismuslesbischen, aggresiv-dominanten Unterton niederschlägt und zum Teil auch die Diskussionsführung beeinflusst.

Etwa gleichrangig mit der Sendung von Frau Will ist vom Format her der Talk von Maybri-T- Illner, wobei diese einen Hang zum Übernachhaken hat und oftmals ein kernereskes Verständnis für die Diskussionsteilnehmer an den Tag legt und selten durchgreift, was der Sendung manchmal einen weichen Touch verleiht. Generell kann man also festhalten, dass diese beiden Sendungen schon mal ein gutes Grundgerüst darstellen.

Eine geniale konzeptuelle Idee finde ich den Faktencheck bei „Hart aber Fair“, obwohl diese Sendung meist zu parteiisch ist, ganz wie auch der Moderator und allenfalls als Reiztalk betrachtet werden kann, was dann wieder ein ganz anderes Format wäre, welches sehr gut in die Ecke des damaligen „Talks“ von Michel Friedmann passt, den ich sehr gerne eben wegen des Diskussionsaggressionismuses mochte. Doch gerade diese Überprüfung der Aussagen von Diskussionsteilnehmern sollte zum Polittalk-Standard werden. Eine redaktionelle Postbearbeitung der Sendung würde langfristig dafür sorgen, dass sich Informationsteilnehmer nur dann gut ins Licht rücken können, wenn sie sich derart vorbereiten, dass sie auch exakte, korrekte Zahlen nennen können, was gerade bei Wirtschaft- und Politikthemen extrem wichtig ist. Der ewigen Zitationsschwammigkeit der Statistiken seitens der Politiker würde somit ein Riegel vorgeschoben.

Ein inhaltlich sehr gutes Format, welches auch moderatorisch exzellent besetzt ist, ist die Phoenix Runde. Es muss einfach einmal festgehalten werden, dass Gaby Dietzen einen Sendeplatz verdient hätte, der sie auch einem breiten Publikum zugänglich macht, ergo nicht zu später Stunde auf einem Sender, den leider zu viele Menschen in diesem Land kaum kennen oder ihn noch hinter den Verkaufskanälen programmiert haben. Auch die Sachlichkeit der Sendung ist überaus vorbildlich, wobei allerdings hier das Low-Budget-Ambiente der Ausstattung für die breite Masse wohl zu gewöhnungsbedürftig sein würde.

Bevor ich mich jedoch jetzt hier in Detailfragen verliere und noch sämtliche andere kleineren Formate mit in Betracht ziehe, versuche ich mal ein Ideal zu entwickeln. Man nehme also den Faktencheck von „Hart aber Fair“, der meiner Meinung nach unabdingbar ist, sowie die Ausstattung von „Maybrit Illner“, alleine deshalb, weil die Sofas so bequem aussehen. Doch wer sollte diese Sendung moderieren? Ich denke da zuerst an eine Frau, da so das Männerübergewicht der Gäste etwas ausgeglichen würde und Frauen irgendwie mehr Fragespielraum eingeräumt wird in der Hinsicht, dass sie gezielter Nachhaken können ohne dass es als Angriff verstanden wird und es zu Tendenzen einer Eskalation kommt, die sie meist auch besser im Griff haben als männliche Moderatoren. Nun jedoch zu den Charaktereigenschaften des Moderators oder der Moderatorin: Es müsste jemand sein, mit dem Sex-Appeal von Anne Will, kombiniert mit der Zugewandtheit Maybrit Illners, angereichert mit der Sachlichkeit Gaby Dietzens, versehen mit einer Brise friedmannscher Zielgerichtetheit und abgerundet mit der Kompetenzausstrahlung eines Günther Jauch.

Alles in allem muss ich jedoch feststellen, dass ich momentan mit dem Angebot recht zufrieden bin, abgesehen davon, dass man es noch irgendwie hinbekommen müsste, die Beiträge einzelner Gäste, gerade wenn sie aus der aktiven Politik kommen, ein wenig im Level anzuheben. Aber dies ist ja nicht Aufgabe einer Show.

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Montag, November 19, 2007

Subtext der Realität

"Aber sobald er eingeschlafen war, begann er zu träumen und träumte fast unaufhörlich bir zum anderen Morgen. Hauptsächlich sah er Joachim Ziemßen in sonderbar verrenkter Lage auf einem Bobschlitten eine schräge Bahn hinabfahren. Er war so phosphoreszierend bleich wie Dr. Krokowski, und vorneauf saß der Herrenreiter, der sehr unbestimmt aussah, wie jemand, den man lediglich hat husten hören, und lenkte. ‘Das ist uns doch ganz einerlei, - uns hier oben‘, sagte der verrenkte Joachim, und dann war er es, nicht der Herrenreiter, der so grauenhaft breiig hustete. Darüber mußte Hans Castorp bitterlich weinen und sah ein, daß er in die Apotheke laufen müsse, um sich Cold-cream zu besorgen. Aber am Wege saß Frau Iltis mit einer spitzen Schnauze und hielt etwas in der Hand, was offenbar ihr ‘Sterilett‘ sein sollte, aber nichts weiter war als ein Sicherheits-Rasierapparat. Das machte Hans Castorp nun wieder lachen, und so wurde er zwischen verschiedenen Gemütsbewegungen hin und her geworfen, bis der Morgen durch seine halboffene Balkontür graute und ihn weckte."

Eine schönere und treffendere Traumsequenz, wie diese, die Thomas Mann zu anfang seines „Zauberbergs“ beschreibt, wird sich schwer finden lassen. Zeigt diese doch auf, wie das Alltägliche und Profane Einzug erhält in die Welten der Transzendenz, wie ein einfacher Bobschlitten zum bedeutungsschwangeren Symbol wird, wie sich die Realität zu verkehren scheint um selbige erst ins rechte Licht zu rücken. Reale wird irreal, damit das Unbewusste bewusst wird. Oder wie Harper zu Prior Walter in „Angels in America“, übrigens ein in höchstem Maße genialer Film, der hier auch irgendwann noch besprochen werden soll, es ebenfalls in einer Traumszene ausdrückt: „The threshold of revelation“.

Die „Schwelle der Offenbarung“, der Punkt an dem man dem Göttlichen oder Übermenschlichen fast todesgleich ins Auge blickt. Ein Ort jenseits von Bedeutung, Regeln und Grammatiken, wo ein Stuhl nicht ein Stuhl und nicht ein Stuhl ist. Der Traum ist Faszinosum und Schrecken zugleich, eine nur fast greifbare Enthüllung des menschlichen Geistes. Ein Metaprozess des Denkens, der uns Einblick gewährt ins Selbst – nicht nur in seiner sondern auch in unser Selbst. Hier sind wir ganz selbst und doch auch ganz Mensch, hier treffen sich Individualität und Kollektivgedächtnis und Archetypen kommunizieren mit Privatem.

Ich selbst finde es immer faszinierend, was einem in Träumen offenbar wird. Ich habe das große Glück, sehr deutlich und, was viel wichtiger ist, erinnerbar zu träumen. Nicht selten passiert es, dass mein Morgen (oder wann sonst ich den Fängen des Schlafs entkommen bin) mit Selbstreflektion und Interpretation meiner Träume beginnt. Ähnlich wie Hans Castorp träume auch ich nicht von irgendwelchen Bildern, sondern verarbeite immer in Träumen kürzlich oder einstmals Erlebtes, doch das eigentlich atemberaubende ist die Kombination. Man erkennt die Funktionalität des Traums, der mehr ist als bloße Verarbeitung und Aufbereitung des Gehirns. Hier werden Szenarien entwickelt, die eine klare Aussage haben, wenn man sie auch nicht immer heraus destillieren kann. Dennoch, wenn man genau hinschaut, so kann man hierdurch erfahren, wer man ist, wo man ist, wohin man will, was einen beschäftigt und Vieles mehr.

So wirr meine Träume auch in der Regel sind, da sie sich nicht an logische, örtliche oder zeitliche Grenzen halten, so habe ich dennoch festgestellt, dass es gewisse Muster gibt und gewisse Bilder nur in bestimmten Zusammenhängen erscheinen. Die Ausgangssituation ist meist klar definiert und ich schaue gleich einem olympischen Erzähler auf eine Handlung mir bekannter Personen, mich inbegriffen, weiß, was Personen fühlen, wie sie zueinander stehen, warum sie dort sind. Auch wenn hierbei ab und an vernünftige Szenen entstehen, also Szenen, in denen Personenkonstellationen und Orte übereinstimmen, so ist dies doch meist nicht die Regel. Es kann gut vorkommen, dass man mit dem ehemaligen Musikverein und seinen Mitgliedern eine Wanderung beginnt und bei der Rast plötzlich Personen aus dem universitären Umfeld neben einem sitzen, man sich umdreht und feststellt, dass man mitten auf einer Familienfeier ist, wobei jedoch auch Gäste der schwulen Szene Kölns anwesend sind. Doch eben genau hier kommt ein sehr spannendes Element ins Spiel. Mit der Zeit konnte ich herausfinden, welche Personen was symbolisieren, also welche Menschen oder Gegenstände, die auftauchen für welche Thematiken oder archetypische Eigenschaften stehen. Dies kann zweierlei Bedeutung haben. Entweder sie befinden sich historisch dort, weil sie eben zu einer gewissen Situation gehören oder mich an eine reale Situation erinnern sollen oder aber sie tauchen ihrer Funktionalität wegen auf und repräsentieren in diesem Moment nur abstrakte Eigenschaften wie Stärke, Neid, Schwäche oder Spezielleres.

Ganz wie Harper in oben erwähnter Szene feststellt, werden jedoch meist nur Bekannte Dinge gebraucht, also Puzzleteile der Realität werden zu einem neuen Bild zusammen gesetzt, doch nie ohne einen gewissen Mehrwert. Dieser besteht darin, dass man Einsicht erhält in gewisse Dinge und einen anderen Blickwinkel bekommt. Durch die Neuordnung werden plötzlich Zusammenhänge klar, die einem gar nicht so offensichtlich waren und erst durch einfache Veränderungen der Bilder zutage treten. Zum Beispiel hatte ich kürzlich einen Traum, der mir erklärt hat, warum ich von einer Person aus meinem Umfeld so begeistert bin. Es wurde mir dadurch klar, dass ich mich mit dieser Person in einem örtlichen Szenario meiner Vergangenheit wiederfand, welches eindeutig auf gewisse Aspekte verweist. Dies jedoch nicht zufällig, sondern es wurden Elemente von damals in einen direkten Zusammenhang mit dieser Person der Gegenwart gesetzt. Leider kann ich aus persönlichen Gründen jetzt nicht detaillierter darauf, doch es war erstaunlich dass eben die Übereinstimmungen und Differenzen zwischen den beiden Kontexten mir Aufschlüsse darüber gaben, wie die gegenwärtige Situation vor mir liegt. Es hat also meine Wahrnehmung bereichert.

Durch meine damalige Tätigkeit während meines Zivildienstes in einer Rehaklinik für ehemalige Abhängige mit der Doppeldiagnose Sucht und psychologische Erkrankung habe ich eine klar ablehnende Haltung gegenüber illegalen Drogen und Psychopharmaka, doch aus philosophischer Neugier heraus, wollte ich dann doch einmal etwas bewusstseinsveränderndes probieren, was jenseits des Alkohols liegt und habe vor Jahren einmal die Gelegenheit ergriffen, in vollem Bewusstsein um mein persönliches Suchtpotenzial, sei es Literatur, Nikotin, Kaffee, Alkohol oder Online-Games, das mich immer dazu treibt, über die Stränge zu schlagen, dass es sich um ein einmaliges Experiment handelt, was es auch bis heute geblieben ist. In meinem Rausch hatte ich das Gefühl den Prozess des Denkens und Empfindens zu durchschauen. Mein Gegenüber, welches ich den ganzen Abend schon attraktiv fand, mir dies jedoch wie immer nicht erklären konnte, veränderte seine Gestalt in der Hinsicht, dass sich nacheinander verschiedene Gesichter mir liebgewonnener Personen über seines legten und dies immer damit zu tun hatte, dass ein gewisser Gesichtsaspekt wie die Augenpartie, die Mundwinkel oder aber die Anordnung der Falten auf der Stirne sich entsprachen und ich somit nachverfolgen konnte, dass mein Gehirn eben diese Bruchstücke wiedererkannte und dieses neue Gesicht nicht als neu wahrnahm, sondern als Zusammensetzung des Alten. Dadurch wurde mir dann klar, warum ich eben dieses mir unbekannte Gesicht mit gewissen Gefühlen und Charaktereigenschaften verbunden hatte.

Einschub: Nein, man sollte dies nicht unbedingt nachmachen, denn eben meine Zivitätigkeit hat mir gezeigt, dass es immer sehr riskant ist, sich auf solche Substanzen einzulassen und dass manchmal ein einziges Probieren dazu führt, dass man über Jahre mit einer Psychose zu kämpfen hat. Weshalb man besser in der Realität bleibt und die Wirkung von Drogen weder unterschätzen noch herunterspielen sollte und theoretisch hätte es auch in meinem Falle anders enden können, selbst wenn es „nur“ Substanzen sind, mit deren Legalisierung man sich selbst im Bundestag schon auseinander gesetzt hat.

Doch genau dies passiert auch im Traum, das Neue wird durch das Alte erklärt, das Irreale wird durch das Reale sichtbar gemacht und Gefühle werden als Erfahrungen dargestellt. Möge die moderne Wissenschaft auch noch so viele Elektroenzephalogramme und Hirnscans machen, ich denke nicht, dass sie dieses Wunder wird je zur Gänze entschlüsseln können, auch wenn dies wohl der größte Entwicklungssprung des Menschen aller Zeiten wäre, wenn er eben dieses große Geheimnis zu Lüften in der Lage wäre.

Daher wünsche ich allen Lesern, dass sie ihre Träume im Auge behalten und dies nicht metaphorisch sondern wörtlich. Denn kann es Schöneres geben, als sich in Form nächtlicher Begegnungen –wenn auch nur kurz - ganz in die Welt des Irrealen begeben zu können?

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Dienstag, November 13, 2007

Der Mensch ist eben widersprüchlich

Heute im „report München“ wurde ein Beitrag zu den steigenden Stromkosten ausgestrahlt und dieser legte den Fokus jedoch nicht auf die bösen Großen, sondern zeigte auch einmal auf, dass es auch kleinere Unternehmen gibt, die gerade Millionengewinne zu Lasten der Verbraucher einfahren; nämlich die Anbieter von Solaranlagen. Hier brachte man das Beispiel des Unternehmens Solarworld, einem Anlagenbauer der Branche. Solarworld-Chef Frank Asbeck wurde gezeigt, wie er in seinen Maserati einsteigt und es wurde auf die Riesengewinne des letzten Jahres hingewiesen, die unter anderem Mitschuld an einer Überteuerung der Energie verantwortlich zeichnen.

Soweit, so gut – gibt ja andere, die auch viel verdienen und dies auch ausleben. Allerdings fand ich es erschreckend, was Herr Asbeck dann von sich gab: „Der Mensch ist eben widersprüchlich. Ich fahre den Maserati ungeheuer gerne. Und irgendwer muss doch das restliche Öl aufbrauchen, damit die Solarindustrie nach vorne kommt.“

Ich war einen Moment total sprachlos und mir wäre beinahe die Fernbedienung aus der Hand gefallen. Wenn man diese Logik auf andere Bereiche überträgt, so könnte man sich auch als einer der Hauptleute bei Amnesty International polnische Nutten ins Hotel kommen lassen und das damit begründen, dass irgendwer sie ja „abnutzen“ muss, damit die Arbeit von Amnesty auch Sinn macht.

Also so widersprüchlich könnte ich gar nicht sein. Aber scheinbar ist es heutzutage wohl nicht mehr in der Mode, hinter dem zu stehen, für was man steht. Hauptsache die Corporate Identity funktioniert nach unten. Selber ist es denn Topmanagern doch eigentlich egal, an welcher Firmenspitze sie gerade sitzen – man wechselt ja sowieso irgendwann. Hauptsache, der Kontoauszug stimmt, denn mit Werten kann man sich nix kaufen. Sollen sich doch die am Fließband mit der Sache identifizieren.

Aber eigentlich sind eben solche Menschen zu bedauern, denn wenn das Unternehmen unter mir austauschbar ist, so bin ich es auch und mein ganzes Ego ist eher eine Seifenblase, da es nicht mit Inhalt gefüllt ist. Man merkt sehr wohl, ob jemand auch sein Herz in sein Unternehmen einbringt oder nicht. In zweitem Falle, dankt man ihm für sein Engagement, wenn er geht, obwohl es einen eigentlich nicht interessiert.

Scheinbar bin ich in dieser Hinsicht sehr altmodisch und konservativ, denn ich komme mit diesen Entwicklungen der „Moderne“ nicht so recht klar. Wenn ich mir einen Unternehmer oder Firmenchef vorstelle, so ist das jemand, der mit Begeisterung für das einsteht, was er tut und der es eben nicht nur aus materiellem Grund tut, sondern um dieser Welt etwas zu hinterlassen und seinen Beitrag zur Gesellschaft beizusteuern. Jemand, der auch stolz ist, auf das, was er produziert, da er es für gut und sinnvoll hält.

Am interessantesten finde ich die Menschen, die ihr ganzes Leben lang einem Ideal gefolgt sind und für dieses viel aufgeben mussten. Vor diesen Menschen trete ich in Ehrfurcht zurück. So hat mich zum Beispiel kürzlich eine Phoenix-Dokumentation über Charles Goodyear, den Erfinder der Vulkanisation, sehr bewegt. Ein Mann, der sein Leben lang in Armut lebte und dennoch sein Ziel vor Augen hatte. Er wollte Gummi so modifizieren, dass es zum breiten Gebrauch von Nutzen war, da er das Potential darin erkannte. Und selbst nachdem er so arm war, dass er sich keinen Arzt leisten konnte, der seinen Sohn eventuell hätte vor dem Tod bewahren können, hat er weiter getüftelt, bis ihm eines Tages der große Durchbruch gelungen ist. Der Preis, den er zu zahlen hatte, war hoch, denn er zahlte nicht nur mit dem Leben seines Sohnes, sondern auch mit der eigenen Gesundheit, so dass er nach langer Krankheit im Alter von 60 Jahren verstarb.

Es soll jetzt nicht so verstanden werden, dass ich möchte, dass für Ideale die eigenen Kinder geopfert werden müssen, aber worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, dass ein Mensch, der sich mit Herz und Hand für sein Ziel einsetzt, wesentlich authentischer ist und im Grunde dem Ideal des Menschen am nächsten kommt. „Es strebt der Mensch solang er lebt.“ Schade nur, wenn sich das menschliche Streben nur auf dem eigenen Konto niederschlägt, nicht aber in einem guten Gefühl, welches man durch seine Tätigkeit jenseits materieller Werte empfindet.

Vielleicht sollte Herr Asbeck sich eine Scheibe von Herrn Goodyear abschneiden und sich mit etwas beschäftigen, was er auch vertritt. Denn gerade letzter macht ihm ja erst die Fahrt mit seinem Maserati möglich. Falls er mit seinem Geschoss dann geile Weiber aufreißt, so ist ihm wieder der gute Charles zur Stelle, der 1855 das erste Gummikondom herstellte. Wobei – wer weiß, welchen Posten er dann hat, denn falls er dann vielleicht Manager im Pharmabereich wäre, könnte es sein, dass es mit der gleichen Logik fortfährt und auf jedweden Schutz beim Sex verzichtet, getreu dem Motto: „Irgendwer muss die Viren ja unters Volk bringen, damit mein Konzern Gewinne einfährt.“

Was bin ich froh, dass es auch sehr viele „richtige Unternehmer“ in diesem Land gibt und dass der Managerismus unserer Tage hoffentlich nur eine Modeerscheinung ist, die in einigen Jahren vorüberzieht, wenn man begriffen hat, dass Unternehmer ohne einen inneren Antrieb so sinnvoll sind wie… (mir fällt leider kein passender Vergleich ein, da es wohl nichts sinnloseres gibt).

Samstag, November 10, 2007

Denk mal

Das habe ich heute, mittlerweile schon gestern, den ganzen Tag getan. Gut, dieser ehemalige Nationalfeiertag lädt ja auch zu Gedanken ein, wenn man sich schaut, welch konträre Ereignisse im vergangenen Jahrhundert an diesem Datum geschehen sind. Auch wenn es sich natürlich lohnen würde sich hier anhand des Hitlerputsches 1923 über die Bedeutung der Demokratie auszulassen oder über menschliche Gräueltaten zu debattieren und sich gleichzeitig, wie heute in Köln geschehen, über die Ausnahmen religionsübergreifender Solidarität vor dem Hintergrund der Reichspogromnacht und der heldenhaften Rettung einer Thorarolle zu erfreuen, nehme ich es mir doch eher zu Herzen, über meine Gedanken zu berichten, die ich bezüglich des gerade volljährig gewordenen Mauerfalls hatte.

Da bin ich ja auch heute bei weitem nicht der einzige gewesen und der Tag begann für mich mit Kaffee und Phoenix, so dass ich einige Minuten die heutige Bundestagsdebatte mit verfolgen konnte und mir somit den ganzen Tag überlegte, ob ich es nun befürworten würde ein Denkmal in Berlin oder in Leipzig stehen zu sehen. Bei diesen Überlegungen kam mir dann die Idee eines ganz eigenen Denkmals, welches ich, wäre ich in der Position dies festzulegen, errichten lassen würde. Man soll sich zwar nicht selber loben und es riecht gerade um mich herum auch etwas streng, jedoch finde ich, dass meine Idee gar nicht mal so schlecht ist, da sie Symbolismen auf allen möglichen Ebenen beinhaltet.

Mein Denkmal steht nicht nur an einem Ort, sondern gleich an dreien: Berlin, Leipzig und Bonn. Desweiteren ist es so gestaltet, dass man es dennoch nur als Ganzes verstehen kann und natürlich kommt der Hinguckeffekt auch zum Tragen, da es der Systematik nach einem Glockenspiel oder Uhrwerk vergleichbar ist, jedoch nicht ohne die Technik unserer Zeit zu repräsentieren. Doch fangen wir einfach und der Reihe nach an.

In Berlin steht ein Stück der Mauer, eventuell auch eine Nachbildung selbiger, welches aus zwei beweglichen Flügeln besteht und durch auf besondere Weise angeordneten, aus blauen Leuchtioden zusammen gesetzten Linien durchzogen ist. In Bonn steht eine Säule, die ebenfalls über eine Lichtkonstruktion verfügt. Hier gibt es ein weißes und ein rotes Licht, welche in die Säule auf der östlichen Seite eingelassen sind. In Leipzig stehen mehrere, verschieden große Säulen um eine breite Säule in der Mitte kreisförmig herum. In der mittleren Säule sind ein grünes Licht auf der Westseite und ein rotes Licht in Richtung Berlin eingelassen. Alle drei Teile werden von Strahlern beleuchtet. Nun kommen wir noch zu dem zentralen Element, welches die Teile miteinander verbindet. Alle drei Denkmäler sind über Funk miteinander verbunden. Doch nun zum eigentlichen Vorgang, welcher sich stündlich wiederholt.

X Uhr 35: Alle drei Denkmäler werden von den Strahlern angeleuchtet. Die beiden Flügel der Mauer stehen, gleich einem geöffneten Schlossportal, offen.

X Uhr 39: Die Strahler erlöschen und alle Lichter gehen aus. Deutschland liegt im Dunkeln.

X Uhr 45: Die Strahler gehen an allen drei Orten wieder an. Der Krieg ist beendet und das Leben in Deutschland beginnt von vorne.

X Uhr 49: In Bonn beginnt das weiße Licht zu blinken. Mit jedem Impuls wird ein Funksignal zu dem Berliner Teil gesendet, jedoch ohne von diesem empfangen oder weiterverarbeitet zu werden. Das weiße Licht repräsentiert die Diplomatie der westdeutschen Politiker, die noch auf eine Vereinigung der vier Besatzungszonen hoffen.

X+1 Uhr 1 (X Uhr 61): Die beiden Flügel der Mauer schließen sich wie bei einer Staustufe. Nun beginnen zeitgleich in Leipzig die beiden Lichter zu blinken, das grüne Richtung Bonn, das rote Berlin zugewandt. Von dort aus werden ebenfalls Funkimpulse in die beiden anderen Städte gesendet. Diese haben nun auch Konsequenzen: In Bonn wird neben den weiter gesendeten weißen Funksignalen immer dann auch zusätzlich ein rotes gesendet, sobald ein grünes Signal aus Leipzig empfangen wurde. In Berlin kommen sowohl das rote aus Leipzig als auch die beiden aus Bonn an und bewirken, dass drei der blauen Leuchtioden zu brennen beginnen. Nach und nach werden die Abstände zwischen diesen Impulsen langsam kürzer und man erkennt mit fortschreitender Zeit, dass die in das Mauerstück eingelassenen Ioden „Risse“ in der selbigen bilden.

Bevor wir nun zum finalen Akt kommen, sei hier eine Erklärung der Symbolik eingefügt. Das grüne Licht aus Leipzig, welches beharrlich nach Bonn geschickt wird, soll die Hoffnungen und Wünsche der Brüder im Osten verdeutlichen, die erwartungsvoll gen Westen blicken, mit der Sehnsucht, dass man sie aus ihrer Gefangenschaft befreie. Das weiße Licht der Diplomatie geht weiter wie gewohnt, wird jedoch nun durch die Weiterleitung dieser empfangenen Impulse in Form eines roten Lichtes mit auf den Weg nach Berlin gegeben. Auch von Leipzig aus geht das rote Licht der Ablehnung nach Berlin. Dort zeigen die stetigen Impulse ganz langsam Wirkung und die Mauer beginnt porös zu werden.

X+1 Uhr 25 (X Uhr 85): Die Lichtsignale von Berlin und Leipzig blinken nun im Sekundentakt. Jede Sekunde werden die Risse in Berlin größer.

X+1 Uhr 28 und 59 Sekunden (X Uhr 88, 59): Die letzten drei Leuchtioden in der Berliner Mauer gehen an und nun sind die Risse in ihrer ganzen Fülle aktiv.

X+1 Uhr 29 (X Uhr 89): Die Ioden erlöschen, die Mauerflügel öffnen sich. In Leipzig beenden die Lichter ihre Tätigkeit. In Bonn ist wieder nur noch das weiße Licht aktiv.

X+1 Uhr 30 (X Uhr 90): Die Strahler in Berlin erlöschen.

X+1 Uhr 38 (X Uhr 98): Die Strahler in Berlin leuchten erneut auf, das weiße Lichtsignal in Bonn erlischt. (Dies ist der einzige Schwachpunkt des Denkmals, da der Umzug nach Berlin erst 1999 war, jedoch setzt ja genau eine Minute später der Zyklus von neuem wieder ein).

Das Schöne ist, dass diese Konstruktion in ihrer Gesamtheit, gleich mehrere Aspekte vereinigt. Zum einen zeigt es, dass viele kleine Signale schlussendlich dennoch eine große Wirkung haben können. Desweiteren, dass es eben erst der Impulse des ostdeutschen Volkes bedurfte, bis sich erste Risse in Berlin aufzeigten und die vorherige Diplomatie aus dem Westen zwar sinnvoll versandt wurde, jedoch nicht wirklich ankam. Zudem gehen die Funksignale über die Luft, also nicht nur den Weg, den die Rosinenbomber aus dem Westen nach Berlin nahmen, sondern in transzendentaler Hinsicht auch der Weg, den die Gebete in Leipzig nahmen. Nicht zuletzt zeigt dieses Zusammenspiel von Licht und Funksignalen, dass wir gemeinsam in eine moderne, technische Zukunft blicken.

Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass meine Idee eines Tages realisiert wird, so sehe ich jedoch jetzt schon vor meinem geistigen Auge die japanischen Touristengruppen, die mit Kameras bewaffnet eine ganze Stunde vor den jeweiligen Teilen verbringen und gespannt dem Schauspiel folgen. Die Deutschen werden wahrscheinlich nur kurz hinschauen und dann weitergehen, jedoch sind sie auch diejenigen, die bei einer Schifffahrt auf dem Rhein bei der Loreley nur bis „das geht mir nicht aus dem Sinn“ kommen, während selbige Japaner das Lied dann bis zum Ende singen.