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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Dienstag, August 23, 2005

Sind zwei Halbe ein Ganzes?

Genau heute vor 15 Jahren, am 23.August 1990 beschloss die Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik mit 194 von 400 Stimmen den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes zum 3. Oktober.

Ein Entschluss, der ein geteiltes Land einigte und ihm endlich ein klare Definition gab, die es vorher in seiner gesamten Geschichte nie hatte. Denn was war Deutschland zuvor? Nie zuvor hat es eine so stabile Abgrenzung nach außen gegeben und die Akzeptanz der aktuellen, völkerrechtlichen Grenzen wurde bis dato immer diskutiert. Von einem jahrhundertelang zerstückelten Etwas, dass dann durch Napoleon geordnet wurde hin zur Diskussion ob man denn großdeutsch oder kleindeutsch sein wolle über diverse Bünde, Anspürche an einzelne Gebiete, schleswig-holsteinsche Fragen, Versailler Regelungen, Korridore, einem Volk ohne Raum, Besatzungszonen, ursprüngliche Provisoriumsstaaten zur letztendlichen Einigung.

Vieles ist seitdem klar und es werden keine territorialen Fragen mehr gestellt, jedoch sin viele innerdeutsche Probleme noch bis zum heutigen Tage nicht gelöst ganz zu schweigen von einer einheitlichen deutschen Identität. Der Deutsche an sich denkt immer noch in den Kategorien “Ost” und “West” und es ist eben noch nicht dasselbe, wenn man gebürtig aus Regensburg oder Leipzig kommt. Dies kann man auch noch nicht verlangen, da die aktuell lebende Bevölkerung schließlich größtenteils nur ein getrenntes Land erlebt hat und mit zwei Staaten großgeworden ist.

Da ich mich momentan aus beruflich-studientechnischen Gründen sehr mit nationaler Identität beschäftige, stellt sich mir unweigerlich die Frage, was denn bitteschön “deutsch” sei. In vielen Fällen ist die Sachlage klar, jedoch was ist eben mit Deutschen, die seinerzeit deutsch waren, deren Geburts- oder Wirkungsstätten jedoch heute anderen Nationen zugehörig sind? Was ist mit dem geteilten Deutschland? Warum gilt Kafka als deutscher Dichter, wo er doch im österreichischen Vielvölkerstaat lebte und heute sogar Tschesche wäre? Ist Honecker genauso “deutsch” wie Adenauer? Warum gilt die “Quiche Lorraine” als französisch, der “Elsäßer Flammkuchen” jedoch als deutsch? Darf man mit Nationalstolz in der Zauberflöte eine Mozartkugel essen oder sollte man doch eher auf der sicheren Seite die Eroica hören? Ist Brzezinka nicht um einiges mehr mit Deutschland verbunden denn mit Polen?

Ganz verwirrend wird es dann mit Exilanten und Personen, die aus verschiedenen Gründen unser Land verließen. Hat sich nicht Marlene Dietrich mit ihrem Auftritt an der Front bewußt gegen ihr “deutsch-Sein” ausgesprochen? Ist Georg-Frederic Haendel ein deutscher oder doch eher Georg-Friedrich Händel ein Engländer? Waren die Comedian Harmonists gegen Ende ihrer Karierre noch immer eine “deutsche” a-capella-Gruppe?

Ich denke, dass man diese Fragen nie absolut sehen kann. Wir haben nicht den großen Vorteil der Amerikaner, bei denen klar ist, was “amerikanisch” ist und können eben nicht so leicht entscheiden, wer, was und wo wann etwas “deutsch” ist und war, sondern müssen dies immer wieder im Einzelfall kontextuell erschließen und uns fragen ob es zum jeweiligen Zeitpunkt “deutsch” war über was wir sprechen. Oder aber wir wählen in solchen Fällen die einfacherere Variante und stellen einfach fest, dass eben jene Person oder aktion “deutsch-sprachig” ist, wobei wir uns dann allerdings wohl einige eindeutig schweizerische Errungenschaften zu eigen machen.

Ein komplexes, jedoch hochinteressantes Thema, zu dem es bestimmt immer wieder auslösende Ereignisse gibtm, die mich veranlassen werden, ähnliche Gedanken erneut aufzugreifen.

Jedenfalls ist dies genauso vertrackt, wie bei einem Kölner, mit dem ich mich vor Jahren einmal unterhielt: Er sagte, er sei leider nur ein halber Kölner, denn hier käme es ja darauf an, ob man in der Stadt geboren sei oder nicht und er jedoch bedingt durch seine frühe Geburt noch als Porzer geboren wurde und sein Stadtteil erst kurze Zeit später der Domstadt einverleibt wurde. Ist er jetzt weniger Kölner als sein 5 Jahre jüngerer Nachbar?.