Ben's Kommentar

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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Freitag, Mai 26, 2006

...der werfe den ersten Stein

Gerade habe ich zum zweiten Mal den Film „Nichts als die Wahrheit“ (Richter, 1999) mit Götz George in der Hauptrolle des KZ-Arztes Josef Mengele gesehen und genau wie damals, kurz nach dem Erscheinen in den deutschen Kinos, rührt sich in mir eine Mischung aus Erschütterung, Sprachlosigkeit und Faszination.

Es geht in diesem Meisterwerk um einen fiktiven Prozess angesiedelt in den 90er Jahren gegen den Todesengel von Auschwitz, der im Gegensatz zur Realität nicht 1979 verstarb, sondern sich nun vor einem Gericht einem Teil seiner damaligen Greultaten stellen muss.

Die im Film aufgezeigte Verteidigungstaktik für Mengele zeichnet sich durch zwei Hauptargumente aus. Zum einen, dass er ein Kind seiner Zeit war und zum zweiten, dass er Euthanasie betrieb, indem er den Todgeweihten einen angenehmeren Ausgang aus ihrem Leid bescherte. Doch selbst sein Verteidiger klagt ihn zum Ende seines Plädoyers zurecht als einen der unmenschlichsten und grausamsten Verbrecher der Menschheit an und plädiert für die lebenslange Strafe.

Jeder der den Film nicht gesehen hat, sollte ihn sich unbedingt anschauen und dies nicht nur aufgrund der Tatsache, dass Götz George hier seine bisher größte schauspielerische Glanzleistung vollbringt. Sondern vielmehr, weil einen der Film nachdenken lässt. Nachdenken über Moral und über das menschliche Handeln.

Am beeindruckensten ist der Abspann, in dem Mengele selbst sein Plädoyer hält und der in der Frage endet: „Und steckt nicht auch ein Teil von mir in Ihnen?“

Es ist klar: Josef Mengele war ein Verbrecher und ebenso klar ist, dass er gegen jede Moral verstoßen hat und es keine Entschuldigung für seine Taten geben kann und darf und dennoch muss sich ein jeder, der ihn verurteilt für sich selber fragen: Hätte ich nicht vielleicht auch so gehandelt?

Meine individuelle Antwort dazu ist wahrheitsgemäß: Ich weiß es nicht.

Und es kotzt mich an, wenn ich weiß, dass die meisten Menschen sofort sagen würden: „Ich hätte das niemals getan.“ Wer keine fünf Minuten braucht nach diesem Film um eine solche Aussage zu tätigen zeigt, dass er nicht in der Lage ist sich aus seinem Weltbild herauszubegeben und sich selbst zu hinterfragen.

Wenn man von Kindesbeinen an dazu erzogen wird und dies auch wissenschaftlich nachweisbar ist, dass es verschiedene Stufen des Menschseins, verschiedene Stufen lebenswerten Lebens gibt und man in einem System lebt, nach dessen Grundprinzipien ein solches Handeln nicht nur tolerabel sonder wünschenswert ist, hat man dann die distanzierte und moralisch differenzierte Sichtweise eines Menschen der Nachkriegszeit? Ich glaube nicht und ich glaube weiterhin, dass es auch heute noch genug Menschen gibt, die den gleichen Fehler erneut begehen würden, wenn es die Zeit von ihnen verlangte.

Hier sei jetzt einmal betont, es geht mir in diesem Beitrag nicht um das Ausmaß dieser Taten, sondern lediglich um Fragen des menschlichen Handelns, um den Abrund in uns selbst, in den wir ungerne schauen und den wir gerne verbergen – kurz um das Böse im Menschen. Auch wenn die nachfolgenden Vergleiche natürlich in keiner Weise mit den Taten eine Josef Mengele vergleichbar sind, so haben sie streng betrachtet dennoch den selben Kern – unmenschlich wider die Moral zu handeln aufgrund scheinbar sinnvoller Motive, denn diese gibt es in solchen Situationen immer. Und somit Frage ich:

Was hätten die getan, die heute Kosmetika und Medikamente benutzen, die an wehrlosen Tieren getestet wurden?

Was hätten die getan, die heute Impfstoffe verherrlichen, die mit Hilfe absichtlicher Infektionen von Tieren entwickelt wurden?

Was hätten die getan, die auch heute vor nichts zurückschrecken um Karriere zu machen?

Was hätten die getan, die heute mit einer Konferenz tausende von Menschen aufgrund von Unternehmenszahlen in die Arbeitslosigkeit befördern?

Was hätten die getan, die anderen immer nach dem Mund reden und deren Fähnchen mehrmals täglich in einem anderen Wind hängt?

Und vor allem: Was hätten die getan, die heute wie selbstverständlich sagen, dass sie damals im Widerstand gewesen wären und gegen ein solch mächtiges Regime rebelliert hätten?

Ich denke gerade die, die sich immer political correct verhalten, hätten sich auch seinerzeit political correct verhalten – nur, dass ihr handeln dann am anderen Ende der moralischen Skala gestanden hätte.

Wer kann sich schon vom Bösen freisprechen?

Wer hat nicht schon einmal eine rassistische Bemerkung welcher Art auch immer geäußert oder zumindest einen solchen Gedanken gehabt?

Wer hat nicht schon einmal Fehler vertuscht, Hinter dem Rücken anderer intregiert?

Wer hat nicht schon einmal eine kleine Illegalität des Alltags begangen?

Und die Motive sind immer die gleichen: Macht, Geld, Karriere, Ansehen und Ruhm

Dies führt mich nun zu einem sehr erschreckenden Gedanken, der mich mein eigenes Handeln gänzlich in Frage stellen lässt: Die Menschen, die damals direkt oder indirekt an den Greultaten beteiligt waren oder sie einfach haben geschehen lassen, haben unter dem Stern ihrer Zeit gehandelt und ihr Handeln nach diesem ausgerichtet – ganz wie ich heutzutage. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass der Stern ein anderer ist.

Doch ist mein Handeln nicht von denselben Motiven angetrieben? Ich denke schon, denn ganz tief in mir muss ich mir eingestehen, dass mein Handeln nur ein Ziel hat Ansehen, Macht und Ruhm.

Meine Offenheit, meine Ehrlichkeit, meine Bereitschaft anderen zu helfen und ihnen jederzeit mit Rat zur Seite zu stehen zielt nur darauf ab, dass meine Gier befriedigt wird. Meine Gier danach, dass Menschen vor mir den Hut ziehen, mich respektieren und ich das Gefühl habe, etwas Besonderes zu sein, mir Aufmerksamkeit zu verschaffen und mich in ein gutes Licht zu rücken. Und mit einem beklemmenden Gefühl in der Brust und Tränen in den Augen während ich dies hier niederschreibe, stelle ich fest, dass auch ich nur Egoist bin – getrieben von der Vorstellung, einen Auftrag zu haben, der mich von anderen unterscheidet und mich aus der breiten Masse erhebt.

Doch muss ich mich eben an diesem Punkt nicht fragen, welchen Weg ich wohl in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eingeschlagen hätte? Hätte ich wirklich die Weitsicht gehabt, mir selbst zu sagen, man wird deine Taten dereinst eher würdigen, wenn du nicht mit machst. An einem Tag, der in ferner und eventuell nicht mehr erlebbarer Zukunft liegt? Oder hätte ich nicht vielleicht auch dafür gesort zu Ruhm und Ansehen zu Lebzeiten zu gelangen und mich meiner Umwelt entsprechend besonders hervorzutun?

Wissend, dass ich heute oftmals mit einem gewissen Pioniergeist einen Schritt weiter gehe als die Moral der Allgemeinheit, so kann und darf ich mich nicht davon freisprechen, dass ich nicht damals auch einen Schritt weiter gegangen wäre als die Moral des Mainstreams, die sich damals jedoch durch das genaue Gegenteil auszeichnete.

Da ich mich nicht nur als Pionier sondern auch oft als Rebellen wahrnehme, so kann ich mir auch vorstellen, dass ich damals im Widerstand gewesen wäre, doch ist mir dieser Gedanke zu bequem, fordert nichts von mir und ist somit nicht in der Lage mein Gemüt zu bewegen. Zudem kann ich dies nicht beurteilen, so lange ich nie hungern meiner Freiheit beraubt wurde oder man mir körperliches Leid zugefügt hat, was seinerzeit zwangsläufige Begleiterscheinungen guter Taten waren. Natürlich wären wir alle gerne eine Sofie Scholl gewesen, aber hätten wir auch ihr Durchhaltevermögen und ihre Stärke besessen? Und bedarf es nicht derselben Stärke, eine solche Schuld wie sie sich ein Mengele damals aufgeladen hat, auszuhalten?

Zusammenfassend muss ich mir entgegen meinen moralischen Werten und meinem humanistisch geprägten Weltbild eingestehen, dass ich nicht an das Gute im Menschen glaube, denn ich glaube nicht einmal an das Gute in mir selbst.

Wissend, dass die Nachfrage immer das Angebot beeinflusst, kann ich nicht behaupten, dass ich aus mir selbst heraus gut bin, sondern muss mir selbst den Vorwurf gefallen lassen, dass ich nur gut bin, weil die Zeit gerade Gutes von mir verlangt.

Doch was wäre, wenn am morgigen Tage das Schlechte nachgefragt würde?

P.S.: Bisher ist mir nie ein Beitrag schwere gefallen und gerade habe ich das erste Mal Angst einen Beitrag online zu stellen, da er mich zu sehr bewegt.

Donnerstag, Mai 11, 2006

Nordisches Leben

„I am but mad north-north-west“ – Ich bin nur toll bei Nordnordwest – diese Worte legte Shakespeare seinerzeit seinem Titelhelden Hamlet in den Mund und gestern merkte ich dann, als ich von der uni zu Fuss nach Hause spazierte, dass dieser Satz das neue Lebensgefühl so vieler Menschen genauestens umreißt.

Nachdem Spazierengehen und Walking, was im Grunde das gleiche ist, nur Englisch (wer es nicht glaubt schlage mal in einem beliebigen Dictionary nach), nun nicht mehr ausreichend ist, hat man sich überlegt, dass etwas Neues „auf den Markt“ kommen muss. Im vergangenen Jahr sah man schon mal ab und an jemanden, der es praktizierte, jedoch sprießen die Fans jetzt aus dem Boden – die Fans des „Nordic Walking“, denen man im Vorbeigehen am liebsten hinterher rufen würde: „Es ist Mai!!! Der Schnee ist weg!!!“

Ok, kurzer Einschub: Vor einigen Jahren habe ich selber einen Wanderurlaub gemacht und innerhalb von 6 Tagen etwa 120 Kilometer zurück gelegt (ich kann den König-Ludwig-Wanderweg, der vom Starnberger See bis Füssen führt, nur jedem empfehlen) und da waren Wanderstöcke wirklich sinnvoll, jedoch nur weil sie den Zweck erfüllten, nach mehreren Kilometern oder bei unwegsamen Passagen eine Stütze zu bieten.

Jedoch welchen Sinn hat es, dass Menschen eine kurze Strecke mit Stöcken laufen? Auf den einen Kilometer, den sie im Stadtpark zurücklegen, macht dies doch kaum einen Unterschied. Irgendwie bestätigt sich da nur mein Bild vom Menschen, dem man etwas nur medial schmackhaft machen muss, damit er es toll findet. Aber Trittbrettfahrer hatten ja noch nie ein Trittbrett unter den Füßen.

Ich verstehe Freizeitsportarten jeder Art, sei es Inline-Skating, Fahrradfahren oder neudeutsch Cycling, Jogging und Walking, jedoch verstehe ich es nicht wie man mit zwei Stöcken bewaffnet durch die Gegend läuft und aussieht wie ein Pantomime auf der Domplatte.

Ich warte noch auf den Tag, an dem mir der erste „Nordic Cycler“ begegnet, ausgestattet mit einem abgeschraubten Fahrradlenker in der Hand, der natürlich – weils mehr Kalorien verbrennt – die Knie während des „laufens“ akurat nach oben anzieht.

Oder für alle die, die ihre Beckenbodenmuskulatur stärken möchten, eine Problemzone, die man ebenfalls in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des Interesses gerückt hat, würde sich „Nordic Riding“ anbieten: Man nimmt sich einen Sattel „setzt“ sich drauf und montiert ihn am Körper, da ja das Pferd fehlt, und läuft breitbeinig durch die Natur.

Wer dann nach all der sportlichen Betätigung verschwitzt nach Hause kommt, kann dann direkt mit dem „Nordic Showering“ fortfahren und sich mal ohne Wasser waschen. Schäumt zwar nicht so schön, aber der Schmutz wird auch – jedoch in Form kleiner, schwarzer Krümel – entfernt.

Da ich noch nie ein begeisterter Sportanhänger war, werde ich wohl auch in Zukunft am Rande sitzen und dem bunten Treiben zuschauen, jedoch will ich mich dem Trend nicht ganz entziehen und werde auf „Nordic Benchsitting“ umsteigen. Ist zwar etwas anstrengender und sieht aus, als wäre man gerade anderweitig beschäftigt, aber es wirkt sich garantiert ebenfalls stärkend auf die Beckenbodenmuskulatur aus, wenn man stundenlang auf einer imaginären Bank sitzt und liest.

Wobei mir gerade einfällt… Warum eigentlich noch ein Buch mitschleppen? Ist doch eh meistens nur lästig. Also ebenfalls „Nordic Reading“. Hat auch den Nebeneffekt, dass man damit seine Konzentration schärft, da man ja aufpassen muss, dass man in der imaginären Zeile nicht verrutscht.

Werde mir wohl etwas über Marketing durchlesen und dann in den nächsten Jahren den absoluten Superkracher auf den Markt bringen. Ich kaufe mir ein Stück Land und mache eine Immobilienfirma auf, die nette Appartments im „Nordic Housing“ anbietet. Möbel auf die Wiese stellen und einziehen. Der positive Nebeneffekt hierbei liegt auf der Hand. Man hat sich das Putzen gespart, denn der Nordwind wird das Seinige tun. Einziges Problem, was sich mir hierbei noch stellt, ist die Starkstromzufuhr zur Küchenfront.

Bis dahin jedoch werde ich versuchen mein Beziehungsleben etwas aufzupeppeln und habe für die nächste Woche schon jeden Tag ein Date – „Nordic Dating“ versteht sich…. Bin mal gespannt wie das wird… so ohne Partner.

Donnerstag, Mai 04, 2006

Von Schwänen, Enten und anderen Tieren…

Vor einigen Wochen chattete ich mit einem User, der einige Jahre jünger ist als ich. Er schrieb mich immer wieder an, jedoch signalisierte ich ihm recht schnell, dass ich kein Interesse an ihm habe. Daraufhin kippte das Gespräch in eine ganz andere Richtung und er wurde sauer. Sauer auf mich und den Rest der Welt, weil er immer nur Absagen bekomme, wie er berichtete. Ich habe ihm daraufhin von meiner Geschichte erzählt, denn seinen Vorwurf, „ich könne ja jeden haben“, wollte und konnte ich nicht im Raum stehen lassen – alleine deshalb schon nicht, weil es nicht stimmt. Leider war es jedoch um unser Gespräch geschehen und er verschwand verärgert und hat sich nicht mehr gemeldet.

Dieses stimmte mich dann doch etwas nachdenklich, da ich mir dessen nicht so bewußt war, wie mich Andere sehen. Eine zweite Situation in dieser Woche brachte mich ebenfalls auf diese Gedanken, da ich bei einem Vorstellungsgespräch auf eine Praktikumsstelle in einer Magazinredaktion gefragt wurde, warum ich mich denn noch für Praktika interessieren würde.

Diese beiden Situationen haben mir gezeigt, dass ich doch oft ein falsches Bild von mir habe und mich nie genau im großen Ganzen zu platzieren weiß. In etwa schon – jedoch nicht ganz genau. Dies führe ich jedoch auch auf fehlende Erfahrung zurück, da ich gerade was berufliche Fragen angeht ja noch kaum einen Überblick habe als Student mit diversen Nebenjobs. Aber darum sollte es nicht gehen.

Zurück zu dem Jungen, der sich nicht von der Welt akzeptiert fühlt und an dem vielleicht auch nicht alles perfekt ist. Er ist aufgrund seiner Enttäuschung verärgert und läuft nun Gefahr zu verbittern und ich habe versucht ihm klar zu machen, dass genau dies der falsche Weg ist, denn dadurch wird er nur unattraktiver in der Sicht seiner Umwelt. Man muss nicht perfekt sein auf dieser Welt, aber unperfekt und schmollend ist der Gipfel des Negativausschlags auf der Sex-Appeal-Skala.

Er warf mir also vor, ich könne ihn nicht verstehen, was jedoch ebenfalls nicht stimmt, da ich vor etwa 10 Jahren in einer ähnlichen Lage war. Ich fühlte mich ungeliebt, war dick, schlecht gekleidet und wenn ich heute Bilder aus dieser Zeit sehe, könnte ich glatt nach Timbuktu auswandern. Dies war so zu Beginn meiner Gymnasialzeit. Hier mal ein kleiner Überblick:

Ich wog damals 82 Kilo und war noch etwas kleiner als heute, trug die Kleider anderer Leute auf und kam nicht in den Genuss hochkarätige Namen auf meiner Kleidung stehen zu haben wie andere, was in diesem Alter zu Ausgrenzung führen kann. Ganz im Gegenteil, der Gipfel der Blamage war erreciht, als ich einmal in einer Hose meiner größeren Cousine in die Schule kam – und es sei erwähnt, dass dies eigentlich meine Lieblingshose war, da mir die Farbe so gut gefiel – und jemand, der hinter mir ging schrie: „Aaaaaahhhhh, da steht ja „girls wear“ drauf!!!!“. Dies hatte zur Folge, dass ich diese Jeans nie wieder in der Schule trug.

Man hänselte mich, ich hatte mich aufgrund einer Lapalie zu dieser Zeit mit meinem besten Freund verkracht, was dazu führte, dass ich mit unserer eigentlich recht festen, kleinen Freundesgruppe auch wenig unternahm, durfte aufgrund meines jungen Alters auch nicht wie „alle anderen“ auf die Discos in den benachbarten Dörfern fahren (Ok, Mama, es waren nicht „alle“ aber fast) sondern lediglich die dorfinternen Veranstaltungen besuchen und war alles in allem etwas außerhalb des „öffentlichen Geschehens“ meiner Altersgruppe.

Ab und an kam es dann sogar vor, dass ich gehänselt wurde oder sogar Prügel angedroht bekam, so dass meine Großmutter seinerzeit kurz davor stand als Begleiterin mit mir im Schulbus mitzufahren, was die Lage wohl noch verschlimmert hätte. Einmal kam es sogar dazu, dass man mir in meine Cola aschte während ich auf der Toilette war und sich alle auf meine Kosten amüsierten.

Diese Schilderung könnte ich jetzt weiterführen, jedoch ist, glaube ich, klar, was ich meine. Was mir allerdings damals bewußt war, war, dass ich dennoch einen Wert hatte, denn wie anders hätte man sich erklären können, dass mich Erwachsene immer mit positiven Aussagen zu meiner Person bedachten, mich lobten und mochten. Nagut, im Zweifelsfalle hätte man das darauf zurück führen können, dass ich in einem kleinen Dorf lebte, mit dem Großteil dieser Menschen verwandt war oder aber durch meine Vereinstätigkeiten recht bekannt und beliebt war.

Aber wie änderte ich nun meine Situation? Ganz einfach dadurch, dass ich begann mich „unter Beweis zu stellen“. Ich las viel, was zur Folge hatte, dass meine Allgemeinbildung ein immer größeres Fundament bekam und ich bald bei sehr vielen Themen mitreden konnte und sich dies auch in der Schule bemerkbar machte. Desweiteren engagierte ich mich zunehmens außerhalb meiner eigentlichen Schülertätigkeit, was mir nach und nach immer mehr Ansehen verschaffte.

Ich war in mehreren Vereinen tätig, spielte jährlich den Nikolaus in der Klasse, begann mit dem Theaterspielen, sang in der Big Band und wurde Chefredakteur der Schülerzeitung. Dies alles geschah nicht von heute auf morgen und zwischendrin fand auch noch mein Coming-out statt, dass ebenfalls anfangs von Hänseleien begleitet war. Jedoch spätestens seit dem ersten Auftritt auf dem Karnevalsball der Schule als Drag-Queen hatten selbst die größten Lästerer Respekt vor so viel Mut, denn schließlich war ich der erste bekannte Schwule eines 800 Schüler umfassenden Gymnasiums mitten in der Eifel. Hierbei sei angemerkt, dass das damalige Outfit ebenfalls so schlecht war, dass mich auch diese Bilder heute nach Timbuktu trieben.

Ich hatte also meinen eigenen Weg gefunden. Auch wenn dieser nicht immer der Norm entsprach und sich oftmals eben durch die Alternative auszeichnete, so bekam ich doch zunehmend Respekt und Ansehen entgegengebracht, weniger deshalb was ich war, sondern wie ich war. Denn auch dieses Zwischenstadium war nicht wirklich die Krone der Schönheit, auch wenn ich, wahrscheinlich durch die Veränderung des Selbstbildes oder aber einen pubertären Wachstumsschub abgenommen hatte und etwas besser aussah, was ich jedoch dadurch wieder relativierte, dass ich immer noch Kleidung auftrug und lange, schwarze Haare hatte, nachdem ich mich von meiner grünen dickrandigen Hornbrille getrennet hatte und somit aus dem „Streber mit der grünen Brille“ zu „dem Schwulen mit den langen Haaren“ wurde und schlussendlich zum „Prince Charming“, der mit den Sekretärinen in der Freistunde Kaffe trinkt, als Frauenversteher und deren emotionaler Versorger galt, mit den Jungs in langweiligen Unterrichtsstunden flirtete, ihnen Gedichte schrieb und Komplimente machte und zudem von den meisten gemocht wurde.

Eine ähnliche Entwicklung machte auch mein Name mit und wie ich erst kürzlich ist beim Lesen ihrer Biografie feststellen durfte, ist dies eine der Gemeinsamkeiten, die ich mit Evita teile neben dem Faible für Hochsteckfrisuren, denn dieser wechselte sich mit der Zeit. Zuerst war ich über Jahre hinweg „Benny“, klang ja auch süß klein und niedlich. In der Zeit, als ich etwas außerhalb stand und oftmal Angriffspunkt für Witze war, wechselte dieser in den Namen „Benji“, was ich von Anfang an haßte, nicht nur, weil’s scheiße klang, sondern weil zudem ein Fersehhund so hieß und dieser Name auch immer nur dann benutzt oder besser gegen mich verwendet wurde, wenn es etwas zu verarschen gab. Der „Benny“ blieb jedoch nebenbei bestehen. Dann kam ich ans Jugendtheater Koblenz, wo mich niemand kannte und ich weiß bis heute nicht, welcher Intuition ich damals folgte, als ich mich direkt mit „Ben“ vorstellte. Wahrscheinlich einfach deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass es nun Zeit war „groß“ zu werden und daher die Verniedlichung zu elimieren war. Dieser Name war dann irgendwann so geläufig, dass ich mich fortan nur noch damit vorstellte, sobald ich neue Menschen kennen lernte, was zur Folge hat, dass mich heute die meisten nur noch unter dieser Kurzform kennen. Die Langform ist immer genutzt worden, jedoch immer nur in einem offiziellen Kontext oder aber, wenn ich mal wieder getadelt werden musste oder irgendwem heute auf den Wecker falle, wobei dann auch gerne auf die komplette Form „Benjamin Peter“ (mit drei hörbaren Ausrufezeichen) zurück gegriffen wird.

Dieses ganze Namenswirrwarr mag jetzt ein wenig Konfusität erzeugt haben, jedoch besteht es weiter fort, da mich verschiedene Menschen verschieden nennen und ich selbst nicht mehr durchblicke, bei wem ich wie eine SMS, eine Grußkarte oder eine e-mail unterzeichnen muss, damit man mich sofort erkennt. Interessant jedoch ist, dass der „Benny“ auch heute noch ohne mein Zutun zurückgekehrt ist, jedoch in der Funktion als Kosename.

Aber zurück zu dem Elefanten, der als hässliches Entlein begann und dann nach und nach zu einem Schwan wurde – wobei ich jedoch wert darauf lege ein schwarzer zu sein. Ich würde mich heute immer noch nicht als übermäßig schön bezeichnen, da gerade in meinem direkten Umfeld viele Menschen eher von der Natur bedacht wurden oder aber zum Teil einfach mehr Ehrgeiz – um nicht zu sagen Eitelkeit – besitzen. Dennoch weiß ich, dass ich auch nicht häßlich bin und selbst wenn die Waage mal wieder etwas weiter ausschlagen muss, so stört es mich nicht, da ich denke, dass ich dies durch mein Auftreten, mein Sich-geben und meinen Umgang mit anderen wieder ausgeglichen wird. Natürlich gibt es auch da immer mal wieder etwas auszusetzen oder Menschen, die Dinge kritisieren oder schlecht reden, aber diese wird man immer haben.

Ich sehe es aber auch heute noch nicht ein, unreflektiert der Mode oder sonstigen Normen zu unterwerfen und versuche einfach zu sein, wer ich bin. Selbst heute trage ich noch Kleidung anderer und dies sind meist alleine schon aufgrund des ideellen Wertes meine Lieblingskleidungsstücke und auch laufe ich nicht jeden Tag gestylt und rasiert herum, was nicht heißt, dass ich nicht auch manchmal mit Rouge, Abdeckstift oder Maskara nachhelfe. Doch wie sage ich immer so schön: „Bei mir kämpfen jeden Morgen vor dem Spiegel die Eitelkeit und das Selbstbewußtsein einen erbitterten Kampf.“

Dies soll jetzt nicht als „fishing for compliments“ verstanden sein oder gar als „Selbstbeweihräucherung“ sondern soll genau das klar machen, was ich auch dem User versucht habe vor Augen zu führen: Egal wer, was oder wie du bist, wenn du selbst die Hoffnung aufgibst, so kannst du nicht verlangen, dass andere in dich vertrauen. Doch wenn du an dich glaubst, dir Ziele setzt und einfach akzeptierst, dass du nicht allen gefallen kannst noch musst, so wird alles von alleine kommen. Das Schlüsselwort in diesem Falle heißt Authentizität.

Wer einfach so ist, wie er ist bekommt dieses auch anerkannt, da man weiß woran man bei ihm ist, denn alles ist vergänglich und Schönheit kann ebenso schnell schwinden wie die Lottomillion und der teure Schmuck. Doch dann, wenn man nach einer Hochwasserkatastrophe noch genauso wirken würde wie zuvor, dann ist man „echt“. Und Hand auf’s Herz: Wer liebt schon etwas „Unechtes“ nachhaltig und von ganzem Herzen?


Oder kurz, um mal wieder in den unerschöpflichen Topf der Werbeslogans zu greifen: Image ist nichts – du bist Alles!