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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Dienstag, November 13, 2007

Der Mensch ist eben widersprüchlich

Heute im „report München“ wurde ein Beitrag zu den steigenden Stromkosten ausgestrahlt und dieser legte den Fokus jedoch nicht auf die bösen Großen, sondern zeigte auch einmal auf, dass es auch kleinere Unternehmen gibt, die gerade Millionengewinne zu Lasten der Verbraucher einfahren; nämlich die Anbieter von Solaranlagen. Hier brachte man das Beispiel des Unternehmens Solarworld, einem Anlagenbauer der Branche. Solarworld-Chef Frank Asbeck wurde gezeigt, wie er in seinen Maserati einsteigt und es wurde auf die Riesengewinne des letzten Jahres hingewiesen, die unter anderem Mitschuld an einer Überteuerung der Energie verantwortlich zeichnen.

Soweit, so gut – gibt ja andere, die auch viel verdienen und dies auch ausleben. Allerdings fand ich es erschreckend, was Herr Asbeck dann von sich gab: „Der Mensch ist eben widersprüchlich. Ich fahre den Maserati ungeheuer gerne. Und irgendwer muss doch das restliche Öl aufbrauchen, damit die Solarindustrie nach vorne kommt.“

Ich war einen Moment total sprachlos und mir wäre beinahe die Fernbedienung aus der Hand gefallen. Wenn man diese Logik auf andere Bereiche überträgt, so könnte man sich auch als einer der Hauptleute bei Amnesty International polnische Nutten ins Hotel kommen lassen und das damit begründen, dass irgendwer sie ja „abnutzen“ muss, damit die Arbeit von Amnesty auch Sinn macht.

Also so widersprüchlich könnte ich gar nicht sein. Aber scheinbar ist es heutzutage wohl nicht mehr in der Mode, hinter dem zu stehen, für was man steht. Hauptsache die Corporate Identity funktioniert nach unten. Selber ist es denn Topmanagern doch eigentlich egal, an welcher Firmenspitze sie gerade sitzen – man wechselt ja sowieso irgendwann. Hauptsache, der Kontoauszug stimmt, denn mit Werten kann man sich nix kaufen. Sollen sich doch die am Fließband mit der Sache identifizieren.

Aber eigentlich sind eben solche Menschen zu bedauern, denn wenn das Unternehmen unter mir austauschbar ist, so bin ich es auch und mein ganzes Ego ist eher eine Seifenblase, da es nicht mit Inhalt gefüllt ist. Man merkt sehr wohl, ob jemand auch sein Herz in sein Unternehmen einbringt oder nicht. In zweitem Falle, dankt man ihm für sein Engagement, wenn er geht, obwohl es einen eigentlich nicht interessiert.

Scheinbar bin ich in dieser Hinsicht sehr altmodisch und konservativ, denn ich komme mit diesen Entwicklungen der „Moderne“ nicht so recht klar. Wenn ich mir einen Unternehmer oder Firmenchef vorstelle, so ist das jemand, der mit Begeisterung für das einsteht, was er tut und der es eben nicht nur aus materiellem Grund tut, sondern um dieser Welt etwas zu hinterlassen und seinen Beitrag zur Gesellschaft beizusteuern. Jemand, der auch stolz ist, auf das, was er produziert, da er es für gut und sinnvoll hält.

Am interessantesten finde ich die Menschen, die ihr ganzes Leben lang einem Ideal gefolgt sind und für dieses viel aufgeben mussten. Vor diesen Menschen trete ich in Ehrfurcht zurück. So hat mich zum Beispiel kürzlich eine Phoenix-Dokumentation über Charles Goodyear, den Erfinder der Vulkanisation, sehr bewegt. Ein Mann, der sein Leben lang in Armut lebte und dennoch sein Ziel vor Augen hatte. Er wollte Gummi so modifizieren, dass es zum breiten Gebrauch von Nutzen war, da er das Potential darin erkannte. Und selbst nachdem er so arm war, dass er sich keinen Arzt leisten konnte, der seinen Sohn eventuell hätte vor dem Tod bewahren können, hat er weiter getüftelt, bis ihm eines Tages der große Durchbruch gelungen ist. Der Preis, den er zu zahlen hatte, war hoch, denn er zahlte nicht nur mit dem Leben seines Sohnes, sondern auch mit der eigenen Gesundheit, so dass er nach langer Krankheit im Alter von 60 Jahren verstarb.

Es soll jetzt nicht so verstanden werden, dass ich möchte, dass für Ideale die eigenen Kinder geopfert werden müssen, aber worauf ich hinaus will, ist die Tatsache, dass ein Mensch, der sich mit Herz und Hand für sein Ziel einsetzt, wesentlich authentischer ist und im Grunde dem Ideal des Menschen am nächsten kommt. „Es strebt der Mensch solang er lebt.“ Schade nur, wenn sich das menschliche Streben nur auf dem eigenen Konto niederschlägt, nicht aber in einem guten Gefühl, welches man durch seine Tätigkeit jenseits materieller Werte empfindet.

Vielleicht sollte Herr Asbeck sich eine Scheibe von Herrn Goodyear abschneiden und sich mit etwas beschäftigen, was er auch vertritt. Denn gerade letzter macht ihm ja erst die Fahrt mit seinem Maserati möglich. Falls er mit seinem Geschoss dann geile Weiber aufreißt, so ist ihm wieder der gute Charles zur Stelle, der 1855 das erste Gummikondom herstellte. Wobei – wer weiß, welchen Posten er dann hat, denn falls er dann vielleicht Manager im Pharmabereich wäre, könnte es sein, dass es mit der gleichen Logik fortfährt und auf jedweden Schutz beim Sex verzichtet, getreu dem Motto: „Irgendwer muss die Viren ja unters Volk bringen, damit mein Konzern Gewinne einfährt.“

Was bin ich froh, dass es auch sehr viele „richtige Unternehmer“ in diesem Land gibt und dass der Managerismus unserer Tage hoffentlich nur eine Modeerscheinung ist, die in einigen Jahren vorüberzieht, wenn man begriffen hat, dass Unternehmer ohne einen inneren Antrieb so sinnvoll sind wie… (mir fällt leider kein passender Vergleich ein, da es wohl nichts sinnloseres gibt).