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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Donnerstag, Mai 04, 2006

Von Schwänen, Enten und anderen Tieren…

Vor einigen Wochen chattete ich mit einem User, der einige Jahre jünger ist als ich. Er schrieb mich immer wieder an, jedoch signalisierte ich ihm recht schnell, dass ich kein Interesse an ihm habe. Daraufhin kippte das Gespräch in eine ganz andere Richtung und er wurde sauer. Sauer auf mich und den Rest der Welt, weil er immer nur Absagen bekomme, wie er berichtete. Ich habe ihm daraufhin von meiner Geschichte erzählt, denn seinen Vorwurf, „ich könne ja jeden haben“, wollte und konnte ich nicht im Raum stehen lassen – alleine deshalb schon nicht, weil es nicht stimmt. Leider war es jedoch um unser Gespräch geschehen und er verschwand verärgert und hat sich nicht mehr gemeldet.

Dieses stimmte mich dann doch etwas nachdenklich, da ich mir dessen nicht so bewußt war, wie mich Andere sehen. Eine zweite Situation in dieser Woche brachte mich ebenfalls auf diese Gedanken, da ich bei einem Vorstellungsgespräch auf eine Praktikumsstelle in einer Magazinredaktion gefragt wurde, warum ich mich denn noch für Praktika interessieren würde.

Diese beiden Situationen haben mir gezeigt, dass ich doch oft ein falsches Bild von mir habe und mich nie genau im großen Ganzen zu platzieren weiß. In etwa schon – jedoch nicht ganz genau. Dies führe ich jedoch auch auf fehlende Erfahrung zurück, da ich gerade was berufliche Fragen angeht ja noch kaum einen Überblick habe als Student mit diversen Nebenjobs. Aber darum sollte es nicht gehen.

Zurück zu dem Jungen, der sich nicht von der Welt akzeptiert fühlt und an dem vielleicht auch nicht alles perfekt ist. Er ist aufgrund seiner Enttäuschung verärgert und läuft nun Gefahr zu verbittern und ich habe versucht ihm klar zu machen, dass genau dies der falsche Weg ist, denn dadurch wird er nur unattraktiver in der Sicht seiner Umwelt. Man muss nicht perfekt sein auf dieser Welt, aber unperfekt und schmollend ist der Gipfel des Negativausschlags auf der Sex-Appeal-Skala.

Er warf mir also vor, ich könne ihn nicht verstehen, was jedoch ebenfalls nicht stimmt, da ich vor etwa 10 Jahren in einer ähnlichen Lage war. Ich fühlte mich ungeliebt, war dick, schlecht gekleidet und wenn ich heute Bilder aus dieser Zeit sehe, könnte ich glatt nach Timbuktu auswandern. Dies war so zu Beginn meiner Gymnasialzeit. Hier mal ein kleiner Überblick:

Ich wog damals 82 Kilo und war noch etwas kleiner als heute, trug die Kleider anderer Leute auf und kam nicht in den Genuss hochkarätige Namen auf meiner Kleidung stehen zu haben wie andere, was in diesem Alter zu Ausgrenzung führen kann. Ganz im Gegenteil, der Gipfel der Blamage war erreciht, als ich einmal in einer Hose meiner größeren Cousine in die Schule kam – und es sei erwähnt, dass dies eigentlich meine Lieblingshose war, da mir die Farbe so gut gefiel – und jemand, der hinter mir ging schrie: „Aaaaaahhhhh, da steht ja „girls wear“ drauf!!!!“. Dies hatte zur Folge, dass ich diese Jeans nie wieder in der Schule trug.

Man hänselte mich, ich hatte mich aufgrund einer Lapalie zu dieser Zeit mit meinem besten Freund verkracht, was dazu führte, dass ich mit unserer eigentlich recht festen, kleinen Freundesgruppe auch wenig unternahm, durfte aufgrund meines jungen Alters auch nicht wie „alle anderen“ auf die Discos in den benachbarten Dörfern fahren (Ok, Mama, es waren nicht „alle“ aber fast) sondern lediglich die dorfinternen Veranstaltungen besuchen und war alles in allem etwas außerhalb des „öffentlichen Geschehens“ meiner Altersgruppe.

Ab und an kam es dann sogar vor, dass ich gehänselt wurde oder sogar Prügel angedroht bekam, so dass meine Großmutter seinerzeit kurz davor stand als Begleiterin mit mir im Schulbus mitzufahren, was die Lage wohl noch verschlimmert hätte. Einmal kam es sogar dazu, dass man mir in meine Cola aschte während ich auf der Toilette war und sich alle auf meine Kosten amüsierten.

Diese Schilderung könnte ich jetzt weiterführen, jedoch ist, glaube ich, klar, was ich meine. Was mir allerdings damals bewußt war, war, dass ich dennoch einen Wert hatte, denn wie anders hätte man sich erklären können, dass mich Erwachsene immer mit positiven Aussagen zu meiner Person bedachten, mich lobten und mochten. Nagut, im Zweifelsfalle hätte man das darauf zurück führen können, dass ich in einem kleinen Dorf lebte, mit dem Großteil dieser Menschen verwandt war oder aber durch meine Vereinstätigkeiten recht bekannt und beliebt war.

Aber wie änderte ich nun meine Situation? Ganz einfach dadurch, dass ich begann mich „unter Beweis zu stellen“. Ich las viel, was zur Folge hatte, dass meine Allgemeinbildung ein immer größeres Fundament bekam und ich bald bei sehr vielen Themen mitreden konnte und sich dies auch in der Schule bemerkbar machte. Desweiteren engagierte ich mich zunehmens außerhalb meiner eigentlichen Schülertätigkeit, was mir nach und nach immer mehr Ansehen verschaffte.

Ich war in mehreren Vereinen tätig, spielte jährlich den Nikolaus in der Klasse, begann mit dem Theaterspielen, sang in der Big Band und wurde Chefredakteur der Schülerzeitung. Dies alles geschah nicht von heute auf morgen und zwischendrin fand auch noch mein Coming-out statt, dass ebenfalls anfangs von Hänseleien begleitet war. Jedoch spätestens seit dem ersten Auftritt auf dem Karnevalsball der Schule als Drag-Queen hatten selbst die größten Lästerer Respekt vor so viel Mut, denn schließlich war ich der erste bekannte Schwule eines 800 Schüler umfassenden Gymnasiums mitten in der Eifel. Hierbei sei angemerkt, dass das damalige Outfit ebenfalls so schlecht war, dass mich auch diese Bilder heute nach Timbuktu trieben.

Ich hatte also meinen eigenen Weg gefunden. Auch wenn dieser nicht immer der Norm entsprach und sich oftmals eben durch die Alternative auszeichnete, so bekam ich doch zunehmend Respekt und Ansehen entgegengebracht, weniger deshalb was ich war, sondern wie ich war. Denn auch dieses Zwischenstadium war nicht wirklich die Krone der Schönheit, auch wenn ich, wahrscheinlich durch die Veränderung des Selbstbildes oder aber einen pubertären Wachstumsschub abgenommen hatte und etwas besser aussah, was ich jedoch dadurch wieder relativierte, dass ich immer noch Kleidung auftrug und lange, schwarze Haare hatte, nachdem ich mich von meiner grünen dickrandigen Hornbrille getrennet hatte und somit aus dem „Streber mit der grünen Brille“ zu „dem Schwulen mit den langen Haaren“ wurde und schlussendlich zum „Prince Charming“, der mit den Sekretärinen in der Freistunde Kaffe trinkt, als Frauenversteher und deren emotionaler Versorger galt, mit den Jungs in langweiligen Unterrichtsstunden flirtete, ihnen Gedichte schrieb und Komplimente machte und zudem von den meisten gemocht wurde.

Eine ähnliche Entwicklung machte auch mein Name mit und wie ich erst kürzlich ist beim Lesen ihrer Biografie feststellen durfte, ist dies eine der Gemeinsamkeiten, die ich mit Evita teile neben dem Faible für Hochsteckfrisuren, denn dieser wechselte sich mit der Zeit. Zuerst war ich über Jahre hinweg „Benny“, klang ja auch süß klein und niedlich. In der Zeit, als ich etwas außerhalb stand und oftmal Angriffspunkt für Witze war, wechselte dieser in den Namen „Benji“, was ich von Anfang an haßte, nicht nur, weil’s scheiße klang, sondern weil zudem ein Fersehhund so hieß und dieser Name auch immer nur dann benutzt oder besser gegen mich verwendet wurde, wenn es etwas zu verarschen gab. Der „Benny“ blieb jedoch nebenbei bestehen. Dann kam ich ans Jugendtheater Koblenz, wo mich niemand kannte und ich weiß bis heute nicht, welcher Intuition ich damals folgte, als ich mich direkt mit „Ben“ vorstellte. Wahrscheinlich einfach deshalb, weil ich das Gefühl hatte, dass es nun Zeit war „groß“ zu werden und daher die Verniedlichung zu elimieren war. Dieser Name war dann irgendwann so geläufig, dass ich mich fortan nur noch damit vorstellte, sobald ich neue Menschen kennen lernte, was zur Folge hat, dass mich heute die meisten nur noch unter dieser Kurzform kennen. Die Langform ist immer genutzt worden, jedoch immer nur in einem offiziellen Kontext oder aber, wenn ich mal wieder getadelt werden musste oder irgendwem heute auf den Wecker falle, wobei dann auch gerne auf die komplette Form „Benjamin Peter“ (mit drei hörbaren Ausrufezeichen) zurück gegriffen wird.

Dieses ganze Namenswirrwarr mag jetzt ein wenig Konfusität erzeugt haben, jedoch besteht es weiter fort, da mich verschiedene Menschen verschieden nennen und ich selbst nicht mehr durchblicke, bei wem ich wie eine SMS, eine Grußkarte oder eine e-mail unterzeichnen muss, damit man mich sofort erkennt. Interessant jedoch ist, dass der „Benny“ auch heute noch ohne mein Zutun zurückgekehrt ist, jedoch in der Funktion als Kosename.

Aber zurück zu dem Elefanten, der als hässliches Entlein begann und dann nach und nach zu einem Schwan wurde – wobei ich jedoch wert darauf lege ein schwarzer zu sein. Ich würde mich heute immer noch nicht als übermäßig schön bezeichnen, da gerade in meinem direkten Umfeld viele Menschen eher von der Natur bedacht wurden oder aber zum Teil einfach mehr Ehrgeiz – um nicht zu sagen Eitelkeit – besitzen. Dennoch weiß ich, dass ich auch nicht häßlich bin und selbst wenn die Waage mal wieder etwas weiter ausschlagen muss, so stört es mich nicht, da ich denke, dass ich dies durch mein Auftreten, mein Sich-geben und meinen Umgang mit anderen wieder ausgeglichen wird. Natürlich gibt es auch da immer mal wieder etwas auszusetzen oder Menschen, die Dinge kritisieren oder schlecht reden, aber diese wird man immer haben.

Ich sehe es aber auch heute noch nicht ein, unreflektiert der Mode oder sonstigen Normen zu unterwerfen und versuche einfach zu sein, wer ich bin. Selbst heute trage ich noch Kleidung anderer und dies sind meist alleine schon aufgrund des ideellen Wertes meine Lieblingskleidungsstücke und auch laufe ich nicht jeden Tag gestylt und rasiert herum, was nicht heißt, dass ich nicht auch manchmal mit Rouge, Abdeckstift oder Maskara nachhelfe. Doch wie sage ich immer so schön: „Bei mir kämpfen jeden Morgen vor dem Spiegel die Eitelkeit und das Selbstbewußtsein einen erbitterten Kampf.“

Dies soll jetzt nicht als „fishing for compliments“ verstanden sein oder gar als „Selbstbeweihräucherung“ sondern soll genau das klar machen, was ich auch dem User versucht habe vor Augen zu führen: Egal wer, was oder wie du bist, wenn du selbst die Hoffnung aufgibst, so kannst du nicht verlangen, dass andere in dich vertrauen. Doch wenn du an dich glaubst, dir Ziele setzt und einfach akzeptierst, dass du nicht allen gefallen kannst noch musst, so wird alles von alleine kommen. Das Schlüsselwort in diesem Falle heißt Authentizität.

Wer einfach so ist, wie er ist bekommt dieses auch anerkannt, da man weiß woran man bei ihm ist, denn alles ist vergänglich und Schönheit kann ebenso schnell schwinden wie die Lottomillion und der teure Schmuck. Doch dann, wenn man nach einer Hochwasserkatastrophe noch genauso wirken würde wie zuvor, dann ist man „echt“. Und Hand auf’s Herz: Wer liebt schon etwas „Unechtes“ nachhaltig und von ganzem Herzen?


Oder kurz, um mal wieder in den unerschöpflichen Topf der Werbeslogans zu greifen: Image ist nichts – du bist Alles!