Ermöglicht ewige Elegie einzig ehrliche Emotion?
Über Jahrhunderte hinweg bestimmte die unerwiderte Liebe das Idealbild der einzig wahren Zuneigung. Das Mittelalter war bestimmt von Minne – der junge Verehrer, der seine Liebste nicht erreichen konnte, da soziale Schranken es verhinderten und ihm somit die einzige Möglichkeit für ihn darin bestand ihr seine Zuneigung desnächtens unter dem Balkon in Form von Liedern, Gedichten und Balladen vorzutragen. Ehe war Geschäft, Familie Diplomatie und oftmals wurde der weitere Verlauf der innereuropäischen Geschichte bei der Verlobung festgesetzt oder meist schon vorher.
Auch wenn sich in der Neuzeit eine andere Auffassung von Liebe etabliert hat, so ist doch der Reiz des Unerreichbaren geblieben, ganz gleich in welcher Form. Sei es die oben beschriebene Unerreichbarkeit oder auch das Nichterwidern des Geliebten. Die Liebe, die uns mehr denn alles andere bewegt ist die unvollendete. Oder aber die schnell vollendete, bei der das Ende viel zu schnell die Liebenden auseinander reißt. Es sind die Tragödien, die die Sehnsucht wecken.
„I will love you, till the end of time“, heißt es in „Moulin Rouge“ und es kann nur dadurch so intensiv gelebt werden, weil eben dieses Ende der (gemeinsamen) Zeit nicht mehr fern ist und sich ein dunkler Schatten über die Liebenden legt. Hier wie auch in anderen berühmten Beispielen ist es die Schwindsucht, die diesen Schatten erzeugt und mit ihr der Tod – seien die Opfer nun eine Sissi oder eine Violetta.
Ist es das Empfinden des Schwindens, was solche Emotionen erst ans Tageslicht rücken lässt? Kann die alles überflutende Liebe, die Meere teilt und den Himmel öffnet überhaupt ohne ein absehbares Ende gelebt und geliebt werden? Oder ist eben die Vergänglichkeit der Aspekt, der ihr die Tiefe verleiht?
Dies erinnert mich an einen makaberen Witz, den ich vor Jahren einmal in einer Stand-up-Nummer eingebaut habe, in der ich über die Probleme glücklicher Singles „reflektierte“. Ich erzählte, dass es den idealen Single gar nicht geben kann, da dieser ja gerade erst eine Trennung hinter sich habe mit Streit, Unannehmlichkeiten, Verletzungen und allem, was dazu gehört und somit gar nicht in der Lage sei, noch an die große Liebe zu glauben, da ihn seine jüngsten Erfahrungen eines besseren belehrt haben und er nun völlig desillusioniert durch die Welt schreitet. Daher war meine These, dass der perfekte Mann zum kennenlernen jemand sein müsse, der weiß, dass Liebe existiert, der sie gerade erst erfahren habe und noch an sie glaube. Bestenfalls jemand, der gerade mitten aus einer solchen tiefen Liebe gerissen worden sei. Nur sei es etwas makaber, sich mit einem Schild „Suche Mann“ vor’s Krematorium zu stellen.
Damals wurde mir von der Jury, die dennoch begeistert war, angemerkt, dass ich nicht immer „political correct“ gewesen sei, jedoch denke ich, dass in jedem Witz ein Körnchen Wahrheit steckt. Es ist gerade die Vergänglichkeit, die etwas besonders schön erscheinen lässt. Selbst dann, wenn das Ende noch nicht absehbar ist. Eine Rose, die man pflückt und sie sich auf den Tisch stellt ist, auch wenn sie nach drei Tagen verdorrt ist, um vieles schöner als ihre Artgenossen, die noch im Beet stehen und langsam ihre Schönheit verlieren, die Blätter hängen lassen und langsam vergilben. Die Rose wird also ebenfalls auf der Höhe ihres Daseins gebrochen und damit ihr baldiges Ende besiegelt.
Es ist also entweder das plötzliche Ende oder aber die Unerreichbarkeit des Gegenübers, die die Liebe so stark werden lässt. Denn wer kennt es nicht? Die Menschen, die einen zurück gewiesen haben werden ein Leben lang eine gewisse Aura ausstrahlen, in Träumen auftauchen und Besitz von den eigenen Gedanken ergreifen. Menschen kommen und gehen im Leben, deren Namen man vergisst, ganz gleich wie wichtig sie einem waren, doch die, die man nie erreichen konnte sind eingraviert ins Gedächtnis und melden sich oft nach jahrzehnte langem Schweigen wieder. Es sind die Geheimnisse, die man irgendwann einmal seinen Kindern oder Enkeln gesteht. Es sind die Menschen, in deren Gegenwart man auch nach sehr langer Zeit noch trübsinnig wird, wenn dann auch niemand im Umfeld den wahren Grund dafür auch nur erahnen könnte.
Es ist das ewige „was wäre gewesen wenn“, was diese Eindrücke am Leben hält, was einen dazu bringt bei jedem Menschen, der neu ins Leben tritt, Vergleiche anzustellen. Selbst in meinem bisher kurzen Leben, finde ich es erstaunlich, welche Dominanz einige wenige Personen gewonnen haben – ganz tief in mir – unauslöschlich. Es sind die Geister, die einen verfolgen und dies nicht nur wie im Falle Ebenezer Scrooges für eine Nacht. Doch andererseits halten sie uns auch am Leben, da man durch sie erfahren hat, was es heißt zu lieben. Somit geben sie dem Leben einen gewissen Sinn.
Solche Gefühle sind nicht konservierbar und verblassen beim Zusammenleben recht schnell, denn spätestens, wenn man das Leben gemeinsam bestreitet, werden sie nach und nach von den Brauntönen des Alltags übermalt. Dann sind es die kleinen Macken, die winzigen Unarten des Anderen, die nach und nach gleich einer Feile über die Liebe gleiten und ihr langsam das Profil, die Ecken und Kanten ergo die Schärfe nehmen. Mit der Zeit bleibt von der „endless love“ nur noch ein nicht mehr zu identifiziertes, abgeschmirgeltes Etwas in der Ecke verlassen zurück. Ohne Form, farblos und stumpf.
Die meterhohen Wellen auf dem „Ocean of Love“ werden schwächer bis sie ganz der Natur folgend als leichte Brandung auf dem Küstensand auslaufen und schließlich das Wasser wieder zurück ebbt und als einziges Mal eine trostlose Pfütze hinterlässt. Das große Gefühl erlebt nur die Welle, die mit lautem Krachen am Felsen zerschellt und in einem einzigen großen, orgiastischen Aufbäumen abrupt beendet wird.
In diesem Sinne möchte ich mit den Worten Georgette Dees schließen, die es meines Erachtens sehr schön auf den Punkt gebracht hat: „Liebe braucht Feiertage! Ehe braucht Alltag!“
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