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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Montag, Oktober 03, 2005

Uneingeschränkte Solidarität

Dieses Unwort dürfte wohl jedem noch ein Begriff sein, jedoch habe ich in den letzten Wochen einmal bemerkt, dass es viel zu oft als Aushängeschild für den guten Ton in inflationärer Weise gebraucht wird.

Man ist solidarisch, genauso wie man geschieden ist oder bestürzt ist. Ach, was wird sich doch hierzulande zurechtgeheuchelt. Da biegen sich die Balken ja so, dass man ohne sie zu bespannen eine Harfe draus machen könnte.

Man sieht die Gehaltsabrechnung mit dem Soli-Zuschlag und denkt, man habe seinen Teil getan. Wie es dem Nachbarn im Osten geht, interessiert doch nicht die Bohne. Und warum soll ich als Firmenchef denn eine Standorterweiterung im Osten Deutschlands machen? Ist doch viel zu weit weg, dann gehe ich doch lieber nach Polen, dann wird’s auch billiger.

Man zeigt sich solidarisch mit Greti und Pleti, seien es Anschlagopfer, Hochwassergeschädigte, Waisenkindern oder sonstigen Gebeutelten. Doch eben den Beutel will man zusätzlich dann doch nicht aufmachen. Es reicht ja, wenn man die Solidarotät zeigt wie einen Pass an der Grenze. Interessiert doch eh keinen, außer natürlich die Betroffenen, aber die haben ja eh andere Sorgen.

Warum komme ich auf dieses Thema? Ganz einfach dadurch, dass ich leider Gottes feststellen durfte, dass Solidarität meist weit weg ist von dem, was das Woert ausdrückt. Heuchelei wäre da eine treffendere Beschreibung. Mir wird es zum Teil speiübel, wenn ich sehe, wie mit dem “red ribbon”, welches ja Solidarität mit HIV-Infizierten und Aidskranken zum Ausdruck bringen soll, umgegangen wird.

Wie viele User hier, haben es in ihrem Profil ohne auch nur einen Moment darüber nachgedacht zu haben, ob ihre Solidarität nicht vielleicht etwas zu sehr dadurch bedingt ist, dass die rote Schleife nun mal optisch als auch moralisch das Profil verschönert. Wenn man sich die Sache genauer anschaut und auch einmal den Mut hat, Dinge zu hinterfragen, so kommt man vermutlich zu dem Schluss, dass eben dieses “red ribbon” mit genauso durchdachter Konsequenz “getragen” wird wie seinerzeit das Hakenkreuz. Man macht halt mit, weil alle es tun und denkt nicht darüber nach, welche Gedanken damit einhergehen und was es alles impliziert.

Wenn man ein solches Zeichen setzt, so sollte man sich ernsthaft fragen, ob man wirklich solidarisch ist. Würde man einem Opfer wirklich beistehen? Handelt man so, dass man etwas gegen dieses Problem unternimmt? Geht man vorurteilsfrei mit den Betroffenen um?

Wenn nicht, dann steckt dahinter soviel Ernsthaftigkeit wie hinter der BSE-Schleife Harald Schmidts und dann kann man auch getrost darauf verzichten, zumindest als Betroffener. Keine Solidaritätsbekundung ist immer noch besser als eine unaufrichtige. Wenn man ein solches Zeichen nutzt, gleichzeitig jedoch auch Aussagen tätigt, deren Bezeichnung “Diskriminierung” schon den Gipfel des Euphemismus darstellt, dann sollte man seine Konsequenz vielleicht doch noch einmal überdenken. Ansonsten werden solche Bekundungen sehr schnell zu leeren Hülsen ohne Bedeutung und werden nicht mehr wahrgenommen, sind redundant und verfehlen ihren eigentlichen Zweck vollends.

Und wenn man schon nicht solidarisch ist, dann sollte man zumindest authentisch bleiben, aber Authentizität ist wieder ein anderes Thema und da sieht es nicht gerade besser aus.