Mein Foto
Name:
Standort: Berlin, Germany

Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Montag, September 19, 2005

Nichts ist unmöglich....

Das Ergebnis der Bundestagswahl hat wohl die meisten Menschen dieses Landes verblüfft und meine Freunde wollten es mir ja im Vorfeld nicht glauben (hatte eine ähnliche Situation erwartet/erhofft: CDU/CSU +/- 30, SPD +/- 30, FDP +/- 15, Grüne +/- 15, Links +/- 10) und man ist sich ja mittlerweile in den Medien weitestgehend einig, dass auch der noch ausstehende Wahlbezirk in Dresden keine große Veränderungen mehr bringen wird. Also haben wir eine klassische Pattsituation.

Doch ist Deutschland deswegen in der Zwickmühle? Ich denke nicht, dass dem so ist, denn meines Erachtens hat das deutsche Volk mit diesem Wahlergebnis eine ganz klare Aussage getroffen: Man hat keinen Regierungsauftrag an Schröder oder Merkel gestellt, sondern vielmehr einen Regierungsauftrag an das Parlament in seiner Gesamtheit erteilt und damit zum Ausdruck gebracht, dass man mit der bisherigen Politik nicht einverstanden ist.

Uns wird jetzt endlich klar, dass es mehr gibt als nur zwei Optionen und darin liegt jetzt Deutschlands Chance. Es geht hier nicht um “Ampeleien” sondern darum, dass jetzt jeder Einzelne Politiker im Parlament Sorge zu tragen hat, dass es mit Deutschland bergauf geht. Man muss jetzt über Parteigrenzen hinaus Lösungen gemeinsam finden und das parteipolitische Element muss einen Schritt zurücktreten zugunsten der inhaltlich guten Argumente.

Egal welche Koalition sich nun finden würde, ich denke nicht, dass sie innerhalb der nächsten 4 Jahre stabil wäre, da egal, wer nun die Macht erteilt bekommt, auf einem angesägten Stuhl sitzt und somit einer Art Qualitätskontrolle unterliegt. Ich denke mal, dass ein paar spannende Jahre vor uns liegen, wo Politik wieder mehr sein wird als nur “Ich mache mal, was ich will, denn bis zur nächsten Wahl kann ja nix passieren” und man sich wieder den inhaltlichen Debatten zuwendet, in denen man schlussendlich jeden Einzelnen Abgeordneten auf seine Seite ziehen muss. Auch hat die künftige Opposition nun einen sehr großen Einfluss auf das politische Geschehen, da es eben nicht möglich sein wird, Gesetzte nach Schema S/W oder Schema R/G durchzubringen.

Somit wurde unser Parlament in gewisser Weise “demokratisiert” und die auf jeweils 4 Jahre beschränkten Legislaturperiodendiktatur ist abgeschafft. Wer immer nun Macht ausübt, muss sich einer ständigen Prüfung unterziehen und kann sich keinen Fehltritt leisten, da dies dann zu Koalitionsauflösungen oder anderen Situationen führen könnte. Regieren ist jetzt nicht einfach und das sollte es auch nicht sein, auch wenn sich dieser Irrglaube in den letzten 2 Jahrzehnten in die Köpfe der Politiker eingeschlichen hat.

Aber das Schönste an der ganzen Sache ist, dass nicht nur unsere Abgeordneten gezeigt bekommen habwen, wie raffiniert doch unsere Verfassung ist, sondern die ganze Wahl mit allem Drumherum auch eine demokratische Nachhilfestunde für Deutschland war. Denn bei der bis vor Kurzem noch vorherrschenden Politikverdrossenheit der Deutschen, wußten doch die wenigsten, was eine Vertrauensfrage ist, wie eine Kanzlerwahl abläuft, welche Befugnisse der Bundespräsident hat, etc.

Man interessiert sich wieder für Politik und diskutiert wieder allerorts darüber. Zudem kommen wir an die Grenzen der Verfassung und können einmal live miterleben, was eigentlich in solchen “Krisensituationen” passiert und wer dann was bestimmt. Somit würde es mich auch nicht verwundern, wenn wir auch in den nächsten Wochen auch erstmals in der Deutschen Geschichte die zweite oder sogar dritte Phase der Kanzlerwahl miterleben dürften oder sogar eine Minderheitenregierung entstehen würde.

Die Frage ist dann nämlich, ob unsere aktuellen Poltiker mit der ihnen aufgetragenen Verantwortung wirklich umgehen können und es auch mal schaffen von den hohen Machtrossen herunter zu kommen und die parteipolitischen Scheuklappen abzunehmen und mit vereinten Kräften den Karren aus dem Dreck ziehen können.

Momentan herrscht noch der reinste Kindergarten in Berlin: alle Kinder haben Spaß daran, dem Gegenüber das Spielzeug streitig zu machen und rangeln darum, wobei sie langsam nicht mehr durchblicken, wer mit wem rangelt und wer Anspruch auf welches Spielzeug hat. Aber eines ist klar: Nach dem Spielen wird aufgeräumt... und zwar gemeinsam!

Und somit kann ich jedem Politiker (auch wenn wahrscheinlich keiner diesen Beitrag lesen wird) zwei Sätze ans Herz legen, um zu zeigen, dass sie jetzt mehr denn je aufgefordert sind, sorgsam zu handeln und zu entscheiden:

Politiker sollten auch einmal Betroffenheit zeigen und nicht immer so verdammt siegessicher sein. – Günter Grass

Marionetten lassen sich sehr leicht in Gehängte verwandeln. Die Stricke sind schon da. – Stanislaw Jerzy Lec

P.S.: Dieser Beitrag ist mit Absicht so gehalten, dass er sich auf den gesamtpolitischen Zusammenhang bezieht und nicht auf die von den verschiedenen Parteien vertretenen Programme. Dies hat den einfachen Grund, dass ich keine Lust habe, dass er endlos Politdiskussionen nach sich zieht wie mein Beitrag zum WJT. Ergo habe ich keine Lust mich um Einzelaspekte der verschiedenen Parteien zu streiten, denn dies wäre auch der momentanen Situation nicht angemessen, da ich denke, dass bei dem jetztigen Ergebnis man die Parteipolitik per se noch einmal überdenken sollte.