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Standort: Berlin, Germany

Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Donnerstag, November 03, 2005

Serieller Werteverfall?

Wenn man sich jenseits der Hauptsendezeiten in den öffentlich-rechtlichen Sendern einmal umschaut, dann findet man sie – die Familienserien der 80er Jahre. Damals als die Welt noch in Ordnung, die Wirtschaft noch in Schwung und irgendwie doch alles besser war. Na gut, es kann auch daran liegen, dass ich damals noch ein Kind war, im beschützen Rahmen der Familie. Jedoch hat sich auch gesellschaftlich seither viel geändert und für diese Veränderungen sind die damals ausgestrahlten Serien eben ein guter Indikator.

Damals wurden wir doch alle von unzähligen Vorbildern mit erzogen. Ob von der überbesorgten Mutter Beimer, einer Vera Drombusch, deren Ausbrüche wir immer mal wieder ertragen mussten, einer Frau Michaelis, die uns immer penibel beobachtete oder einer sanftmütigen Maria Schell. Wir sangen mit den Wiecherts im Gesangsverein, fuhren mit Sascha Henn auf dem Traumschiff und teilten den Alltag mit Weinbergsdynasten, Landärzten und Pfarrern, immer mit Leib und Seele.

Fernsehen war noch in der Lage, die Menschen von den Straßen zu fegen und man fühlte sich tagelang unwohl, weil die Aktenzeichen noch ungelöst waren. Freute sich mit den Verlierern auf Bobby Flitter und brachte Muttern tonnenweise Taschentücher, wenn Linda de Mol einmal mehr zwei Menschen beglückte. Samstags nachmittags schaute man erst die Schwarzwaldklinik, danach wurde gebadet, gegessen und dann hieß es „Wetten, dass?“ und die ganze Familie saß vereint vor dem Kasten, der damals auch nicht viel mehr war.

Innerhalb der 90er wandelte sich das Fernsehen und mit ihm die Gesellschaft. An Stelle der Familienidylle kamen Funfaktor, Action und Ellbogen. Es ging nicht mehr darum gemeinsam Freud und Leid zu teilen, sondern vielmehr um die Freud am Leid des anderen. Die klassischen Werte, die wir gerne immer wieder als beengend empfinden, wichen dem Drang nach Tempo, Freiheit und „ich-mach-was-ich-will“. Die Gewinne der Spielshows trieben in die Höhe und es ging in ihnen nicht mehr um den Spaß am Spiel sondern um den knallharten Konkurrenzkampf.

Heute ist das Programm geprägt von Gerichts- und Talkshows, von Action, Sex und Scheidung, Streit, Intrigen und Machtkämpfen. Wundert es da noch, dass sich dies in unserer Gesellschaft immer weiter widerspiegelt? Je mehr Darwinismus desto höhere Einschaltquoten - Hauptsache es geht zur rund. Ganz gleich, dass wir somit immer mehr verdummen und dies nicht nur in Bezug auf die Bildung sondern auch in Hinsicht auf emotionale Werte wie Vertrauen, Freundschaft, Liebe und Zusammgehörigkeitsgefühl.

Wenn man sich den ganzen Tag mit negativem Input versorgt, wundert es da, dass wir in einen zunehmend desolaten Zustand geraten? Wäre es nicht wieder höchste Zeit die Zeichen so zu setzen, dass man die Menschen wieder hin zum guten Handeln treibt, anstatt ihnen vorzuführen, wie man sein Gegenüber am besten hinters Licht respektive vors Gericht führt?

Meine Befürchtung ist, dass wenn nicht bald ein Wertewandel in unserer Gesellschaft stattfindet, so werden diese Negativfaktoren immer mehr Überhand gewinnen und das Schicksal des Einzelnen tritt zu Gunsten von Zahlen immer mehr in den Hintergrund. Und dies wird dann auch zunehmend politische Ausmaße annehmen. Denn wie stellte Wolfgang Clement gestern so schön bezogen auf die Führung der SPD fest, und daran zeigt sich der Werteeinfluss dieser medialen Gehirnwäsche: „Es ist wie bei Big Brother: Jeden Tag wird einer herausgewählt.“