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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Montag, Juni 27, 2005

Auch Toleranz hat Grenzen

Am Wochenende ist es mal wieder soweit – Zigtausend Schwule und Lesben ziehen in die Straßen um für Toleranz und Akzeptanz zu kämpfen. Doch wenn man sich die Historie dieses Ereignisses mal anschaut, da läuft es einem schon eiskalt den Rücken herunter, da die Kluft zwischen eben dieser Forderung und deren Umsetzung im Szenealltag wohl immer größer wird.

Alles schreit zum Himmel nach Toleranz, doch die am lautesten schreien, sind oft die Engstirnigsten. Begonnen bei den Altersgrenzen über Kleidungszwiste bis hin zu westside-storyesken Gruppenkämpfen verschiedener (Geschmacks-)richtungen innerhalb der von außen so stark und unfair gebeutelten Szene.

Da heißt es dann “bi” versus “gay”, “aktiv” gegen “passiv”, “Plüsch” contra “Leder”, “jung” in Opposition zu “alt”, “Heterolook” anti “Fummel”, “Trutschen” wider “Trullas” und würden mir an dieser Stelle nicht die Synonyme für Gegenüberstellungen fehlen, ließe sich das Ganze bis ins Unendliche fortsetzen.

“Auf sie mit Gebrüll”, lasst uns gegenseitig die Köpfe einschlagen, schlechtreden, übereinander lästern und immer schön die eigenen zweifelhaften Tugenden über die der anderen erheben.

Was muss es damals ein tolles Gefühl gewesen sein, als man sich in den 70ern wirklich noch gemeinsam gegen den Druck von außen auflehnte und egal zu welcher Untergruppierung man auch gehörte für die geteilten Ziele einzustehen wusste. Man hatte ja auch einen Feind gegen den es zu kämpfen galt und im Closet war nicht soviel Platz, als dass man sich hätte darum streiten können. Es gehen ja bekanntlich viele Freunde in ein kleines Haus.

Und heute stehen wir da und haben ganze Paläste vor uns durch die wir uns gegenseitig jagen und uns den Zutritt versagen.

Versagen! Das ist es doch genau, was uns so fürchtet. Und um das eigene zu vertuschen, müssen dann eben die anderen ihre Köpfe hinhalten. Man legt sich hyänengleich auf die Lauer wartend auf die kleinste Chance die Fehltritte des Gegenübers auszukosten und sich dann blutzerfetzend über das Opfer zu stürzen um es in der Luft zu zerreißen noch bevor es realisieren kann, dass es überhaupt zur Beute geworden ist, denn man tut ja alles nur hinter vorgehaltener Hand und lächelt weiterhin freundlich.

“Hallo X, wie geht’s dir so? Gut siehst du aus. (Wenn du jetzt noch wüßtest, was man sich über dich so alles erzählt und was mein Beitrag dazu ist.) Aber hast du schon gehört? Der Y soll ja am letzten Wochenende…”

Und da behaupten einige immer noch, Soaps seien weltfremd und Charaktere wie Clarisse von Anstetten, Joe Gerner oder ähnliche Intriganten seien überzogen. Willkommen in der Realität – sie sind zum Teil noch untertrieben und harmlos.

Wer ohne Schuld, der werfe den ersten Stein und bevor man den Splitter aus des anderen Auge zieht, sollte man sich um den Balken im eigenen kümmern, denn jeder kocht am eigenen Herd und was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Oftmals werden diese Lebensweisheiten und Sprichworte nur mit einem kleinen Lächeln quittiert und wir sind uns ihrer Bedeutungstiefe nicht wirklich bewußt. Doch genau das ist es ja, was dieses Problem ausmacht. Wir müssen uns und unserem Handeln bewußt gegenüberstehen und sollten darauf achten inwiefern dies unserem Umfeld Schaden zufügt. Denn sonst laufen wir Gefahr eben eines Tages nur billige Imitationen der intriganten Archetypen zu werden.

Eine wunderschöne Stelle aus dem Talmud sollte uns in solchen Situationen immer vor Augen schweben und uns ähnlich dem kategorischen Imparativ auf unsere Einfluss auf uns selbst und unsere Mitmenschen sensibilisieren:

Achte auf deine Gedanken,denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

Genau! Dieser Artikel trifft den Nagel auf den Kopf. Da rennen tausende Lesben/Schwulen auf die Straße, weil sie (angeblich) mehr Toleranz wollen und selbst nicht bereit sind untereinander das Mindestmaß an Achtung und Respekt dem Anderen entgegenzubringen.

Der CSD ist an sich sowieso der völlig falsche Ort um für Toleranz zu werben. Die Heteros stehen nicht am Straßenrand weil sie uns unbedingt ihre Toleranz zeigen wollen, sondern damit sie all die Tunten in ihren bunten Kleidchen belächeln können. Toleranz entsteht nicht, wenn man sich in Klischees hüllt und laut durch Großstadtstraßen zieht.

In diesem Sinne: Glückwunsch zu diesem Artikel! Besser kann man es nicht auf den Punkt bringen.

MfG
Dr.Engel

8:25 PM  
Anonymous Anonym said...

Werde allerdings trotzdem feiern gehen....

Man sollte sich dessen nur bewußt sein, wenn man durch die Straßen springt.

Nur leider ist es wie an Weihnachten.... es weiß kaum einer mehr, was noch gefeiert wird.

1:55 AM  

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