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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Sonntag, September 07, 2008

Probier’s mal mit Gemütlichkeit…

Im Original heißt dieses Lied aus dem Dschungelbuch „The Bare Necessity“, impliziert also, dass man einfach mal bloß das Nötigste tun soll. Doch dieses Nötigste reicht oftmals nicht, wie man heute wieder einmal sehr schön sehen konnte. Ursprünglich wollte ich gestern schon einen Beitrag schreiben, habe diesen jedoch dann nicht geschrieben, so dass mir heute meine gestrige Trägheit insofern gelohnt wurde, dass sich die Meldungen des heutigen Tages fast überschlugen.

Da geht er nun, mein ehemaliger Landesvater, oder wie ihn meine Mutter liebevoll nennt „der dicke Herr Beck“. Einerseits hatte es mich ja seinerzeit gefreut, dass wieder einmal ein Rheinland-Pfälzer nach Berlin durchgeschlagen hatte, allerdings war ich von seiner Amtsführung nie sonderlich angetan. Er schien doch häufig unbeholfen, etwas flappsig und alles in allem hatte man den Eindruck, er sei nicht mit vollem Einsatz bei der Sache. Dies mag dann eben auch gerade an jener erwähnten Gemütlichkeit liegen, die es ja zumindest sprachlich nur in Deutschland gibt und die, so scheint es oft, in von rheinland-pfälzischen Politikern bis zur Perfektion weiterentwickelt wurde. In diesem westlichsten aller Bundesländer – das Saarland mal ausgenommen, da es ja quasi zu den „neuen Bundesländern“ gehört – konnte man seit jeher mit dem geographisch nicht fernen Laissez-faire punkten und kann es noch immer. Der rheinland-pfälzische Politiker muss in der Regel eine Grundtugend mitbringen, um Wahlen zu gewinnen: die Gemütlichkeit.

Das heißt dann vor allem, er muss auf Dorf- und Weinfesten in geselliger Runde am Tisch sitzen und lustig sein – beziehungsweise, es versuchen. Auch wenn die Gefahr besteht, dass man es sich zu gemütlich macht und irgendwann alleine am Tisch sitzt, so ist dies jedoch der Garant, dass man im Amte (und am Tische) bleibt - dies dann zuweilen über Jahrzehnte. Wer dies jetzt für ein Vorurteil hält, betrachte sich den letzten Kanzler, der aus diesem Bundesland kam und den man samt dem Sessel, auf dem er saß aus dem Kanzleramt tragen musste. Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören, heißt es in Deutschland. Nicht jedoch in Rheinland-Pfalz, wo der Wahlspruch ist: „Man bleibt so lange, bis es schon nicht mehr schön ist.“ (Auch ich muss gestehen, dass ich zuweilen einen Hang dazu habe und eine echte „Klewkuscht“ bin, wie man in meiner Heimat dazu sagt.)

Jedenfalls konnte man dieses Prinzip auch bei dem gerade resignierten SPD-Vorsitzenden merken. Also sieht er jetzt wieder einer Zukunft als Ministerpräsident entgegen, von dem man wieder diese Weinfest-Tugenden erwartet und schätzt. Ich denke auch, es wird sich leicht wieder in diese alte Rolle einfinden, denn er hat sie immer gut ausgefüllt – politisch wie räumlich. Doch eins hat er aus dieser Sache wohl gelernt – man hätte es sich schon nach der Kohl-Ära denken können: Gemütlichkeit oder auch bloße Notwendigkeit reichen eben nicht im berliner Dschungel. Dort bedarf es Elan, Aufopferung und lauter Worte, großer Gesten eben. Da wird mehr gefordert als halbherzig geäußerte Aussagen oder sich immer wieder gegensätzliche Thesen. Denn so sehr die Dialektik in der Politik Gang und Gäbe ist, so negativer wird sie bewertet, wenn sie nicht von zwei Fronten, sondern von einer Person betrieben wird. Gerade in der Hessenfrage konnte man ja so manchen „Scheiß“ beobachten.

Doch Berlin braucht andere Männer. Männer, die sich auch vernünftig kleiden und regelmäßig rasieren. Somit freut es mich – und das tat es schon am Mittwoch – dass nun der Altmeister wieder zurück ist: Franz Müntefering, die konsequente Weiterführung von Vorgängern wie Wehner oder Brandt. Ein Mann der scharfen Worte, der auch die Stärke hat zu seinem Wort von gestern zu stehen, wenn es heute keine Unterstützung mehr findet und er somit morgen nicht mehr im Amt ist. Ein Vorsitzender, der es immer wieder irgendwie schafft, die doch recht zerstrittene SPD, die zu häufig in verschieden Richtungen treibt, ohne zu wissen, wohin sie eigentlich will, zusammen zu halten. Dass seinerzeit der Königsmord doch möglich war, lag daran, dass einer Rheinland-Pfälzerin, die gegen aller Tradition recht ungemütlich werden kann, wohl klar wahr, dass Kurt Beck von Platzeck nur ein Paarreim entfernt ist in der Liste der SPD-Häupter. Somit ist er damals eher der wacht am Rhein zum Opfer gefallen, die wenn man auf die Karte schaut, von Links an die Spree vorgeprescht ist.

Es bleibt zu hoffen, dass der Designierte das schafft, was dem Resignierten nicht gelang und er die SPD wieder soweit in Reih und Glied geordnet bekommt, dass sie für die im nächsten Jahr anstehenden Wahlen wieder eine wählbare Option darstellt. Dies wird wahrlich keine Leichtigkeit sein, denn um die Partei von A bis Z zu sortieren, muss man wohl oder übel auch am Ypsilon vorbei, was sich noch als eine hinterlistige Hürde herausstellen dürfte. Doch wie ich den alten Klepper vor dem im Schlamm steckenden SPD-Wagen kenne, wird er dieses Hindernis wohl packen, denn nichts wird so heiß gegessen, wie es (aus-)gekocht wird. Und vielleicht werde ich, als bekennender linkslastiger Wechselwähler, dann bei der nächsten Wahl doch kein Kreuz bei den Schwarzen machen.

Wobei es wohl recht unwahrscheinlich ist, dass nach der nächsten Wahl ein Vertreter der geschundenen Partei, den Kanzler stellen wird. Allerhöchstens dürfte es im Extremfall eine linksmehrheitige Kanzlerin geben, denn das könnte in diesem Lanti bis dahin das Nahlesliegendste sein. Steinmeier wird es wohl nicht, denn selbst wenn die SPD aus dem Umfragetief herauskommt, dann doch nur insoweit, als dass sie neben beziehungsweise unter Merkel für weitere vier Jahre den Vizekanzler stellt. Da ist dann schon eher ein schwuler Minister denkbar, der einen eigens hergerichteten Parkplatz für sein Spaßmobil mitten im Regierungsviertel bekommt.

Doch wie Frank-Walter heute in der für manchen Journalisten lang ersehnten Pressekonferenz festgestellt hat, so sind es ja noch 385 Tage bis zur Wahl und in diesem kann noch so vieles passieren, dass jedwede Prognose zum jetzigen Zeitpunkt viel zu früh wäre. Zuvor wird noch an anderen Orten im Lande beobachtet werden können, wie „hesslich“ man an die Macht kommen kann und dass sich nicht jedes Beckstein zum vierhändigen Konzert eignet. Und somit möchte ich nur abschließend, ganz getreu meinem ehemaligen Landesvater, jedoch mit wesentlich mehr Enthusiasmus, meinem persönlichen Funken Hoffnung der linken Mitte zurufen: „Herzlich Willkommen!“

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