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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Freitag, Dezember 23, 2005

Weihnachten mal anders

Eigentlich sollte dies die letzte Kolumne in diesem Jahr werden, doch irgendwie finde ich gerade den Jahresabschlussbeitrag heute dann doch noch etwas verfrüht und da ich zwischen den Jahren sowieso noch einmal nach Köln kommen werde, wo ich dann auch den Zugang in die Weiten des WorldWideWeb habe, wird dies dann doch nicht der letzte Beitrag für dieses Jahr sein.

Morgen ist es so weit: Das Hochfest der Kapitalismus wird allerorts gefeiert. Auch wenn ich Weihnachten sehr mag und sogar diesem ganzen Konsumrummel etwas abgewinnen kann, so denke ich doch, dass es erschreckend ist, wenn man die alljährlichen Straßenbefragungen sieht, bei denen sich herausstellt, dass die meisten gar nicht mehr wissen, warum wir dieses Fest überhaupt feiern. Zu Gute halten muss man den Befragten dann zumindest, dass sie wissen, dass es was mit Jesus zu tun hat.

Hier für alle, die ebenfalls nicht mehr so genau wissen worum es geht eine kurze Zusammenfassung: Maria Laach – und Josef stand daneben. Wem dies nicht reich, der möge dann in einem der vier Evangelien nachschauen. (Kleiner Tipp: Die Weihnachtsgeschichte findet man immer am Anfang eines Evangeliums)

Aber zurück zum Kapitalismus. Die schönste Weihnachtspredigt, die ich in meinem Leben gehört habe, war die unseres ehemaligen Pfarrers, der auf der Schulweihnachtsfeier selbige mit den Worten begann: „Das Christkind kotzt vor lauter Geschenken die Krippe voll!“, worauf sich sowohl die ältere Lehrergeneration als auch die Pädagogen des Fachbereichs Religion vergleichsweise blass und angewidert ins Lehrerzimmer zurückzogen.

Ich finde es immer wieder schön zu Weihnachten zwischen den ganzen Vorbereitungen sich mit alternativen Weihnachtsgedanken auseinander zu setzen. Und somit lese ich mir jedes Jahr ein Gedicht durch, welches ich als Liebhaber des bitterbösen Sarkasmus zu meinen Lieblingsgedichten zähle und welches ich euch nicht vorenthalten will:

Erich Kästner

Weihnachtslied, chemisch gereinigt

(Nach der Melodie: „Morgen, Kinder, wird’s was geben!“)

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!

Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.

Mutter schenkte euch das Leben.

Das genügt, wenn man’s bedenkt.

Einmal kommt auch eure Zeit.

Morgen ist’s noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.

Reiche haben Armut gern.

Gänsebraten macht Beschwerden.

Puppen sind nicht mehr modern.

Morgen kommt der Weihnachtsmann.

Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!

Dort gibt’s Weihnachtsfest genug.

Christentum, vom Turm geblasen,

macht die kleinsten Kinder klug.

Kopf gut schütteln vor Gebrauch!

Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen –

lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!

Reißt die Bretter von den Stirnen,

denn im Ofen fehlt’s an Holz!

Stille Nacht und heil’ge Nacht –

weint, wenn’s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird’s nichts geben!

Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!

Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!

Gott ist nicht allein dran schuld.

Gottes Güte reicht so weit…

Ach, du liebe Weihnachtszeit!

In dem Gedichtband, den ich besitze, steht unter diesem Gedicht – und ich finde, dies macht das Gedicht noch um einiges reizvoller – folgende Anmerkung: Dieses Lied wurde vom Reichsschulrat für das Deutsche Einheitslesebuch angekauft.

Herrlich, da kommt man ins Grübeln. Und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass man nicht weiß, welche der zwei Melodien des Liedes man nun zugrunde legen soll.

Aber genauso viel Vergnügen hatte ich beim Lesen des Romans „Der Club der Weihnachtshasser“ von Michael Curtin. In diesem Buch geht es um eine Solorunde, die sich einmal in der Woche in einem Pub trifft und Karten spielt. Alle Mitglieder dieser Gruppe sind auf ihre Weise seltsam und abgedreht. Doch sie alle verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie hassen Weihnachten, weil ihre familiären Umstände total im Argen liegen. Deshalb planen sie in diesem Jahr sich an Weihnachten zu rächen und dies auf ihre ganz eigene Art und Weise.

Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel Verraten, denn das würde demjenigen, der es liest nur das weihnachtliche Lesevergnügen nehmen, jedoch kann ich diesen Roman nur wärmstens als leichtbekömmliche Lektüre für den ersten Weihnachtstagsmorgen empfehlen, wenn man vom Rotwein verkatert unter dem Tannenbaum zwischen Bergen von Papiermüll sitzt und angewidert auf den Plätzchenteller starrt, von dem man am vorigen Abend dann doch etwas zu viel genascht hat. In dieser Situation ist man genau in der richtigen Stimmung für dieses Buch gefüllt mit skurrilen Charakteren, verqueren Vitae und verrückten Ideen und man möchte am liebsten sofort nach London fahren und den Pub suchen, in dem sich diese durchgeknallte Gruppe trifft und mit ihnen ihren Plan zur Vollendung bringen.

So, ich werde nun jedoch erstmal noch die letzten Dinge, die noch zu tun sind, erledigen und dann morgen gen Heimat fahren um dort dann wieder ganz klassisch Weihnachten zu feiern, mit im Gepäck natürlich die beiden DVDs „Ist das Leben nicht schön?“ und „Die Muppets Weihnachtsgeschichte“, denn ein Weihnachtsfest ohne Ebeneezer Scrooge ist wie Silvester ohne Miss Sofie.

Ich wünsche euch allen ein paar schöne und besinnliche Tage und hoffe, dass ihr alle mit den beiden größten Geschenken dieser Erde beglückt werdet: Glück und Gesundheit. Wenn dies der Fall ist, dann ist es ganz egal, wie und wo und mit wem ihr das Fest begeht.

In diesem Sinne: Stille mich, du Fröhliche!