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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Mittwoch, Dezember 28, 2005

Verwalter der Alter

Heute hat ein lieber Freund von mir seinen Jubeltag und da ich ja erst kürzlich einen Geburtstag eines ganz besonderen Freundes vergessen habe, so habe ich natürlich Besserung gelobt und mir auch fürs kommende Jahr vorgenommen, keinen Geburtstag mehr zu vergessen. Ob ich’s schaffe? – mal sehen.

Also eigentlich haben heute zwei Menschen in meinem Leben Geburtstag, allerdings habe ich mit der einen mittlerweile nur noch einen dergestaltigen Kontakt, dass das Wort „flüchtig“ schon eine Übertreibung wäre. Die zweite Person soll auch nicht Gegenstand meiner heutigen Ausschweifungen sein, denn soweit ich weiß, hatte und hat sie keine Probleme mit dem Älterwerden.

Der erste Kandidat hingegen schon, jedoch werde ich den Namen hier nicht erwähnen, da ich ja von seinen Schandtaten berichten möchte. Denn dieser eigentlich noch junge Herr, der heute seinen 25. Geburtstag feiert, hat ein klitzekleines Problemchen damit älter zu werden, was auch daher rühren mag, dass er noch gut als Zwanziger durchgehen könnte, wenn man ihn sieht. Und gerade weil hier bei Gayromeo die Altersfilter, mit denen man ein Höchstalter für die Suchmaschine festlegen kann immer bei den geraden Zahlen liegen, hatte er schon das ganze Jahr über Angst, dass er nun ab heute durch den 24-Jahre-Filter fallen würde, was ihn dann in der Mitte des Jahres schon dazu veranlasste, sein Alter wieder auf 23 Jahre zurückzusetzen, so dass es eigentlich geplant war, dass sein Alter genau heute auf die noch nicht im Filter erfasste 24 umspringen würde. Weiterhin hatte er vor, dieses und alle folgenden Alter jeweils 1,5 Jahre laufen zu lassen und somit langsamer zu altern.

Da wir uns einmal darüber unterhalten hatten, wie lächerlich es doch sei, das eigene Alter auf 30 herunterzuschrauben, wenn man beispielsweise 35 ist, so habe ich ihm dann einfach vorgerechnet, dass dies jedoch bei ihm genau so der Fall sein wird, wenn er so verfährt, wie er es vorhat. Nach vielen kleinen Sticheleien und zahlreichen Gedanken, die er sich um sein Alter und die ordnungsgemäße Angabe in seinem Profil gemacht hat, hat er dann vor wenigen Tagen beschlossen, doch wieder seine richtigen Daten einzugeben, was allerdings jetzt zur Folge hat, dass er für den aufmerksamen Beobachter binnen 7 Tagen um 2 Jahre altert.

Doch genau dies ist ja eben das entlastende am Älterwerden: Man wird es nur langsam und unmerklich. Natürlich hätte auch ich ein Problem damit, wenn morgen eine gute (???) Fee käme und mich sofort 30 Jahre alt machte. Denn dann hätte ich wohl so einige Probleme, alleine schon mit meinen Gewohnheiten und meinem Umfeld. Jedoch ist es ja so, dass, wenn man selber älter wird, das eigene Umfeld ja nicht stehen bleibt und man gemeinsam altert. Eine Angst von Menschen, die Probleme damit haben ist ja immer, dass sie befürchten zunehmend zu isolieren. Welch ein Humbug! Denn die Freunde, Bekannte und das ganze Umfeld wird ja mit älter und somit sollte dies dann kein Grund gegenseitiger Diskriminierung sein. Wäre ja auch reichlich albern.

Zudem ist doch so, dass unsere Definitionen von „alt“ sich immer wieder anpassen und neu festgelegt werden. Mein kleiner Bruder ging vor vielen Jahren einmal bei uns im Dorf einkaufen und kam zurück und sagte: „Mama, ich soll dir einen schönen Gruß von so einer alten Frau sagen, die war etwa so alt wie du.“ Zu dieser Zeit befand sich meine Mutter in der ersten Hälfte der Dreißiger. Heute, wo er selber die zwanzig schon überschritten hat, hat er zum Teil nach damaliger Definition Freunde, die „alte Leute“ sind, da auch sie die berühmte 30er-Marke schon hinter sich haben, jedoch würde er diese heute nicht mehr als „alt“ bezeichnen.

Genau das kann jeder in seinem Leben nachschauen. Man führe einmal das einfache Gedankenexperiment weiter. Wenn der oben beschriebene Freund wirklich dann schon de facto 35 ist und demnach pro forma 30 und er wird von einem 5 Jahre jüngeren angechattet, so ist das eine Person, die heute gerade mal 15 ist. Na gut, Paare mit solchen Altersunterschiede gibt es auch, jedoch sind sie nicht unbedingt die Regel und ich glaube, wenn man ihn heute fragte, ob er sich vorstellen könne mit jemandem zusammen zu sein, der Jahrgang 1990 ist, der also die noch nicht einmal die Wiedervereinigung mitbekommen hat, so würde er garantiert bestätigen, dass er die Wahrscheinlichkeit als verschwindend gering einstufen würde.

Mit der Wiedervereinigung bin ich dann auch schon direkt bei meinem nächsten Punkt angekommen. Denn es sind ja nicht nur die faktischen und unpersönlichen Zahlen, die uns älter werden lassen, sondern oder gerade vor allem die ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen. Wir werden ja nicht einfach so älter, nein wir werden gleichzeitig auch reifer und im Idealfall sogar weiser. Und an dieser Stelle, sollte sich nun ein jeder mal die Frage stellen, ob er wirklich, seine Erfahrungen und Lehren des Lebens, die er in den letzten 5 Jahren gemacht hat, missen möchte. Also ich keineswegs.

Mein lieber Freund, jetzt hätte ich fast den Namen erwähnt, ist auch ein Kandidat, dessen Badezimmerarmatur einem Museum internationaler Kosmetika gleicht. Töpfchen reiht sich an Tiegelchen und alles ist vorhanden. Von der tönenden Antifaltentagesundnachtcreme über den abdeckenden hautstraffenden Augenkonturstift bis hin zur Antiaginghandlotion mit Q 10, B6, C4, und sontigen Buchstaben. Alles natürlich Vitaminkomplexe um selbige des Alters zu kompensieren. Ich will so altern wie ich will – du darfst!

Also ich benutze davon nur etwas, wenn meine Haut mal wieder so trocken ist, dass ich denke, es sei mal wieder nötig, sie einzucremen und dann tut es für mich auch eine ganz gewöhnliche Creme, egal was sie dann enthält. Denn selbst wenn ich eines Tages hie und da ein Fältchen habe, so weiß ich doch, dass es nur dadurch existiert, weil ich auch gelebt habe. Wer keine Falten hat, der hat auch nicht wirklich gelebt, denn er scheint sich dann nie Sorgen gemacht oder gelacht zu haben. Um faltenfreie Haut zu haben, darf man nicht auf der Baustelle oder in der Sonne arbeiten, darf die Nächte nicht durchzechen, sich nicht auf die Sonnenbank begeben und eigentlich nur in einem hochsterilen gleich bleibend klimatisierten Raum sitzen und das Leben an sich vorbei ziehen lassen ohne eine Mine zu verziehen, denn alles andere macht Falten.

Als Kind fand ich es immer faszinierend, die Hände alter und damit meine ich wirklich alter Menschen zu betrachten. Dünne, in sich eingefallene Haut mit braunen Altersflecken, hervorstehende Gelenke und sich abzeichnende Sehnen, Knochen und durchschimmernde Adern. Ich saß davor und konnte ohne Unterbrechung mehrere Minuten lang auf solche dürerschen Hände schauen, die man heute auch noch auf vielen Gebetskarten finden kann. Ich schaute sie dann immer an und hatte den Eindruck, dass diese Finger, diese Falten, Sehnen und Flecken mir eine Geschichte erzählen können. Seinerzeit dachte ich dann immer, dass diese Hände den Krieg erlebt hatten, sie hatten das Land wieder mit aufgebaut und soviel erlebt und getan durch ihre Zeit hindurch. Und somit denke ich, sollten wir jede kleine Falte an unserem Körper schätzen lernen, denn sie ist Zeugnis eines ereignisreichen Lebens.

P.S.: Dieser Beitrag ist den beiden Geburtstagskindern von heute gewidmet, denen ich in den letzen Tagen des Einsteinjahres nur eins mit auf den Weg geben möchte: Alter ist relativ! Herzlichste Glückwünsche.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Also ich finde es vollommen OK, sein Alter im Chat nach unten zu korrigieren, um das zu bekommen, was man möchte.
Da sehe ich gar keinen Angst-Vorm- Alt-Werden-Faktor dahinter, sondern nur das Bedürfnis eben seiner "Zielgruppe" zu gefallen.
Und - wenn eben diese es sich gefallen lässt, ist doch alles prima, oder?!

Viel witziger fände ich eh, das Alter z.B. bei Gayromeo komplett abzuschalten. Das gäb doch ein schönes Durcheinander der Attraktivitäten. :-))

Grüße
Danny (ewige 23! *hehe*)

2:18 PM  

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