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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Donnerstag, September 02, 2010

Das Aufdienerven-Ge(h)n

Ach, wäre doch über allen Wipfeln Ruh, wie es so schön in Goethes „Wanderers Nachtlied“ heißt, dem Thilo Sarrazin eine nicht so optimistische Zukunft vorraussagt, dann würde sein Hohelied des Rassismus wohl im Walde verklingen. Denn etwas anderes als blanker Rassenwahn kann man seinen Aussagen nicht entnehmen. Würde man diesem Geschwätz Glauben schenken, wäre es an der Zeit Schulmaterialien der zwanziger Jahre wieder vom Dachboden der Geschichte zu holen: Mir schweben da, diese überaus wissenschaftlichen Biologiekarten vor, bei denen phänotypische Merkmale der verschiedenen Rassen dargestellt werden – Stichwort an der Nase eines Mannes erkennt man, dass seinem Johannes der Religion wegen was fehlt.

Seiner Logik folgend, kann man von ihm jedoch nichts anderes erwarten. Denn warum sollte er, der quasimodeske Gesichtszüge hat, über einen höheren Reifegrad als dieser Glöckner verfügen? Da gibt es doch bestimmt einen genetischen Zusammenhang zwischen körperlicher Deformation und rechtspopulistischem Gehabe, was dann auch die Gemeinsamkeiten zwischen Vorstand Knitschauge und Minister Klumpfuß erklären könnte. Wobei es wohl einfacher wäre irgendwo eine Studie sarrazinischer Art aufzutreiben, die belegt, dass Heimkinder nie wirklich in einer demokratischen Gesellschaft ankommen, da sie schon in frühen Jahren mit Gewalt und Isolation konfrontiert wurden – denn das hat bestimmt auch schon wer behauptet und erforscht.

Wer anderen in einem solchen Maße die Intelligenz abspricht, sollte sich bewußt sein, dass er damit nur seinen eigenen Mangel offenbart. Denn gelernt zu haben scheint er nichts, zumindest nichts aus der Geschichte der „Rasse“ seiner hugenottischen Vorfahren, die sich vor einigen Jahrhunderten mit einer solchen Stimmungsmache in Frankreich konfrontiert sahen – allerhöchstens hat er, diese Vermutung legt sein Alter nahe, dem ein oder anderen entnazifizierungsresistenten Lehrer zu genau zugehört. Aber vielleicht ist ja der Nathan irgendwo dort draußen, der Sultan Sarrazin die Augen öffnet – bis dahin wird Lessing noch eine Weile im Sarg rotieren.

Derweil zieht die Karawane dann weiter – leider. Denn der eigentliche Skandal sind nicht seine Äußerungen, die man noch in die Ratzinger-Mixa-Hermann-Kiste packen könnte, sondern die breite öffentliche Zustimmung dazu. Auch wenn die Argumente zum Teil in die richtige Richtung zielen, den Kern im Apfel der Debatte treffen sie nicht, lediglich den noch jungen Sohn Demokratie, auf dessen Haupt dieser Apfel berhaupt erst seine Grundlage findet. So ist es unverständlich, dass so viele nun den Birnenkompott der eigenen Stammtischmeinungsmache mit diesem Apfel vergleichen. Doch man möchte Ihnen á la Loriot zurufen: „Ein Apfel ist ein Apfel und eine Birne ist eine Birne!“ Man sollte es halt stehen lassen, wenn es einem nicht schmeckt – doch die Auswüchse dieser Debatte können einem überzeugten und aufgeklärten Demokraten einfach nicht schmecken. Um es einmal ganz überspitzt in einem „Modellvergleich“ (in Anlehnung an Sarrazins „Modellrechnung“) auszudrücken: Während in Auschwitz getanzt wird, werden andernorts schon wieder neue Steine für neue Barracken geschleppt.

Innerhalb einer Woche hat „der Deutsche“ (der Zwillingsbruder von „dem Wähler“) mit breiter Zustimmung sowohl dem tanzenden Juden Jubel entgegengebracht, um dann diesen Applaus ohne Unterbrechung der These, es gäbe ein „Juden-Gen“, zukommen zu lassen. Man mag mir jetzt nahelegen, dass dies nicht die selben Individuen gewesen seien, jedoch geht es doch in diesem ganzen Diskurs sowieso nur um Kollektive ergo nur um „den Deutschen“ per se, der eben mit etwa 80% zustimmt – wahrscheinlich mit den 80% seiner Intelligenz, die er von seinen Ahnen der Herrenrasse vererbt bekommen hat.

Dieser Beitrag mag ebenso oberflächlich argumentieren, wie es seine Bezugsperson tut, jedoch kann man sich gerne mal auf die Ebene des Gegenübers begeben, wenn es der Sache dient. Wobei der eigentlichen Sache dient dieser ganze Lärm um nichts ja eben nicht und von einer differenzierten Debatte kann beiweitem nicht die Rede sein. Denn dann müsste sie auch einbeziehen, dass unsere Kultur und Zivilisation von den Menschen begründet wurden, deren Gene nun von Herrn Sarrazin entlarvt wurden. Im Grunde genommen haben uns die Vorfahren der arabisch-islamischen Kultur erst das gebracht, was der gute Herr nun verkörpert: Denn er ist wahrlich die größte Null im Lande.