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Benjamin Merkler, geboren 1982, lebte 2002 bis 2007 in Köln, wo er Germanistik, Anglistik und Philosophie auf Magister studierte. Von 2007 bis 2009 studierte er an der Universität Heidelberg Anglistik, Philosophie und öffentliches Recht. Seit 2010 lebt er in Berlin und hat seine Promotion an der Technischen Universität Tallinn begonnen. Neben seinem Studium war er als Forschungsassistent sowie in einer PR/Marketing-Agentur tätig, schrieb gelegentlich Artikel und übersetzte. Zuvor war er schon in der Softwareentwicklung, in Marketing, Vertrieb und in der Gastronomie tätig. Privat trat er in seiner kölner Zeit ab und zu als Cressida Treulos (Travestie mit Livegesang) auf und stand im Bereich Kleinkunst und Comedy auf der Bühne. Überdies war er Protagonist in einem Dokumentarfilm.

Montag, März 06, 2006

Umwege

So, nachdem ich mir in den letzten Wochen mal eine kreative Pause gegönnt habe und sich mittlerweile schon die Aufforderungen häufen, doch endlich wieder mit Fortzufahren ist es heute dann so weit. Obwohl der Urlaub ruhig nöch länger hätte andauern können.

Die kürzeste und effektivste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Strecke. So oder so ähnlich lautet eines der Axiome der Geometrie und ist in allen Lehrbüchern zu finden und selbst in Euklids Elementen findet man diese Behauptung schon. Sie mag ja auch im mathematischen Kontext stimmen, jedoch im wahren Leben stimmt sie nicht.

Im Gebiet interpersoneller Verknüpfungen wird dies besonders deutlich, egal ob man sich Machtstrukturen, Informationswege oder sonstwas unter die Lupe nimmt. Meist führt der Weg eben nicht direkt von A nach B sondern über C, D, E oder sogar bis über Z: Echternach läßt grüßen.

Da ich gerade eine Biographie über Evita Peron lese, nehme ich ihre Vorgehensweisen einfach mal als Beispiel zur Hand. Eva Maria Duarte de Peron hatte eine wirkungsvolle Strategie ihre Ziele durchzusetzen. Als Frau des Präsidenten eines faschistischen Systems mit klaren Hierarchien und zudem mit einer fragwürdigen Herkunft hatte sie es nicht einfach sich in ihrer Stellung zu behaupten. Durch ihr an Aufopferung grenzendes soziales Engagement, bekam sie ihren Mann nur selten zu sehen und dennoch wußte sie ihn und somit seine politischen Entscheidungen wirkungsvoll zu manipulieren. Eben dadurch, dass sie den indirekten Weg nahm und sämtliche Minister und Männer mit Macht um sich scharte und auf ihre Seite zog um sie dann immer wieder gezielt einzusetzen.

Wie einfach wäre es doch in ihrer Position als First Lady gewesen, ihrem Mann direkt zu sagen, was sie denkt und wie sie die politischen Zusammenhänge sieht, denn wie heißt es so schön: „Hinter jedem mächtigen Mann, steht eine starke Frau.“ Doch sie wählte nicht den kurzen Dienstweg über das Ehebett oder den Frühstückstisch, beides Einrichtungen in einer Ehe, die sie sowieso nicht mit ihrem Mann teilte, da sie kaum schlief und so gut wie nichts aß, sonder thematisierte ihre Anliegen im Kontakt mit Drittpersonen von denen sie sicher sein konnte, dass diese eben jene Information an ihren Mann weiter reichen würden. Somit bekam sie, was sie wollte, ohne direkt darum bitten zu müssen.

Ähnlich verschlungene Wege gehen oftmals Informationen. Dies kann von Vorteil sein, muß es aber nicht zwingend, denn manchmal regt es einen dann doch ein kleinwenig auf, wenn man feststellt, wie schnell doch zum Teil die Neuigkeiten um einen herumschwirren. Doch gerade in meinem Bekannten- und Freundeskreis, in dem die Anzahl derer mit Telefonflatrates stetig zunimmt, ist der Informationsfluß recht schnell. Zum Teil fließen keine Basisinformationen mehr, wenn man mit jemandem spricht, sondern man befindet sich in jedem Gespräch mit verschiedenen Personen in einem Prozess des ständigen Updates.

Person A redet mit Peron B über x, woraufhin B sich an C wendet, um ihr von x zu erzählen. Allerdings hat C die Information x schon bekommen und sich zwischenzeitlich mit D darüber unterhalten und ist zu dem Schluss y gekommen, den sie wiederum nun in das Gespräch mit B einfließen lässt, und dazu kommt, dass y hinfällig ist und man zu der Lösung z kommt. Diese Lösung z wird nun A von C unterbreitet, der jedoch wiederum zwischenzeitlich mit D über y diskutiert hat und zu der Einsicht gelangt ist, dass…

Für jemanden, der dies von Außen betrachtet ist so ein Prozess immer undurchschaubar. Und es kommt auch regelmäßig zu Problemen innerhalb einer Gruppe, wenn es um interne Probleme geht. Geht es jedoch um Fragestellungen außerhalb dieser Gruppierung, so ist dies meist von Vorteil, da die verschiedenen Personen, auf unterschiedliches Wissen zurückgreifen und somit ein Synergieeffekt entsteht, so dass man schnellstmöglich viele Faktoren zusammenführen und effektiv auswerten kann.

Wenn beispielsweise Person A eine Verabredung mit der außenstehenden Person N hat und B davon berichtet, so kann es sein, dass B C davon unterichtet und von C erfährt, dass D diese Person kennt, woraufhin B dann A informiert und A sagt, er habe schon mit C darüber gesprochen und man wolle noch E fragen, da D im Gespräch mit C erwähnte, dass E N ebenfalls kenne.

So verwirrend dies jetzt auch ausschaut, so interessant ist es, wenn man selbst in einem solchen Netz steckt. Denn dann kommen noch ganz andere Faktoren hinzu, die das Ganze dann noch einmal verkomplizieren. Nämlich die Tatsache, dass man ja nicht nur Informationen zugrunde legen kann sondern eben auch Einblicke in die Charaktere und Ansichten der Informanten hat, die man in seine Überlegungen integrieren kann, denn jeder weiß noch aus Kindertagen, als man noch Flüsterpost spielte, dass Dinge immer verzerrt werden, sobald sie wiedergegben werden.

Somit ist es zum Beispiel möglich, dass mir ein Freund berichtet, er habe einen bestimmten Film gesehen, von dem er mir dringend abrate, da dieser grottenschlecht sei. Wenn ich dann nachfrage, warum dieser Film schlecht sei, bekomme ich eine Auflistung verschiedener Kriterien, die diesen Film für eben jenen Freund als schlecht charakterisieren. Da ich jedoch des Freundes Interessen und Ansichten kenne, schlussfolgere ich, dass mir dieser Film wunderbar gefallen wird und werde ihn mir anschauen, da ich mir sicher sein kann, dass auf meine Filmkritik, die quasi ex negativo dann in meinen Augen doch positiv ausfällt, Verlass ist

Um jetzt nicht noch mehr Verwirrung aufkommen zu lassen, sollte ich so langsam mal zum Schluss kommen, denn mittlerweile dürften nicht nur meine Synapsen kurz vor dem Durchbrennen sein. Was man hoffentlich aus den Beispielen erkennen konnte, ist die Tatsasche, dass von A nach B die Strecke zwar immer der kürzeste Weg ist, jedoch nicht zwingend der effektivste sein muss. Man sollte also immer, egal, was man tut, sagt oder wie man handelt auch nach anderen Wegen schauen und diese in Betracht ziehen, selbst dann, wenn sie länger oder beschwerlicher sind. Manchmal ist es der kurze Weg, der sinnvoll ist, machmal der lange, manchmal ist es gleichgültig, welchen man wählt und manchmal kann man es vorher gar nicht wissen, welcher Weg nun einzuschlagen ist.

Natürlich kann man auf direktem Wege von Köln nach Berlin fahren, doch kann man vielleicht auch über Hamburg fahren, da dort die Mutter wohnt, die einem die Reisekosten bezahlt. In diesem Falle wäre der Umweg zu empfehlen. Jedoch sei dem, der keine Mutter in Hamburg hat gesagt, dass es dann doch wieder günstiger wäre direkt nach Berlin zu fahren.